„Ich bin Krankenschwester – was ist deine Superkraft?“ – war 2015 einer der erfolgreichsten Texte im Online-Bereich in Tirol. Doch wieso ist das so? Wieso interessieren sich mehr Menschen für das Schicksal einer Berufsgruppe, als für Trendthemen über angesagte Musiker, Hotels und Events? Grund genug, um sich einmal einen Tag Zeit zu nehmen und genau hinzusehen. Wie sieht der Tag einer Krankenschwester eigentlich aus? Welche Aufgaben und Herausforderungen warten? Wir haben mit einer Kinderkrankenschwester (offizielle Bezeichnung: diplomierte Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin) gesprochen.
06:40 Uhr – Ankunft. Umziehen. Erster Kaffee.
07:00 Uhr – Übergabe. Die Nachtschicht weiht die Tagschicht ein. Erzählt wie die Nacht verlaufen ist. Gibt es besondere Vorkommnisse? Gibt es etwas Spezielles zu beachten?
07:10 Uhr – Die Kinder werden zugeteilt. Jeder bekommt drei bis sechs Kinder, die über den Tag hinweg betreut werden. Je nach Grad der Erkrankung und dem damit verbundenen Pflegegrad, bekommt man mehr oder weniger Kinder. Das Wohl des Patienten steht im Vordergrund – die bestmögliche Pflege ist das Ziel.
Wie kann man sich das vorstellen?
Erst kürzlich gab es ein Kind, dessen Haut sich auf Grund eines Infektes langsam ablöste. Die Wunden müssen äußerst sorgsam und sauber gepflegt werden. Dafür sind immense Ruhe und Geduld gefragt. Wer eine solche Aufgabe übernimmt, braucht Zeit. Ohne ein eingespieltes und funktionierendes Team wäre das nicht möglich.
07:30 Uhr – Patientenblatt checken. Welche Medikamente müssen verabreicht werden? In welchem Zeitraum? In welchem Intervall? Überwachung der einzelnen Funktionen. Blutabnahme. Blutdruck-Check. Temperaturcheck.
Der Unterschied zwischen Betreuung von Erwachsenen und Kindern?
Erwachsenen kann man mehr erklären. Sie verstehen die Tragweite ihrer Erkrankung. Das erleichtert es einerseits, doch andererseits kann dieses bewusste Erfahren und Realisieren auch zu depressiven Zuständen führen. Kinder hingegen leiden symptomatisch. Sie leiden in dem Moment, in dem der Schmerz da ist. Das braucht ein besonderes Gespür, viel Geduld und Ruhe. Doch hat ein Kind einen guten Tag, ist es fröhlich, trotz jeder Krankheit. Dennoch stehen Tricksen und sanftes „Erpressen“ (im Sinne von gut Zureden und einer versprochenen Belohnung) zum Alltag. Eltern spielen bei der Betreuung und Pflege von Kindern eine große Rolle. So können einerseits manche Basispflegeaufgaben von den Eltern durchgeführt werden. Dies erspart den Kindern zusätzlichen Stress. Medizinisch aufwändige und schwierigere Aufgaben werden ausschließlich vom ausgebildeten Pflegepersonal gemacht.
Wissen: laut Entwicklungspsychologie begreifen Kinder zwischen sechs und neun Jahren erstmals die Endgültigkeit des Todes. Zwischen dem elften und fünfzehnten Lebensjahr ähnelt ihr Todesverständnis schon stark jenem von Erwachsenen.
Insider-Wissen: Die Kinderkrankenschwester, mit der ich (der Autor) sprechen durfte, hat mir erzählt, dass sie die Eltern bei Behandlungen gerne aus dem Raum schickt. Der Grund hierfür liegt auf der Hand. Die Eltern sollen als Tröster auftreten können, dem Kind das Gefühl geben, nicht alleine zu sein und nicht vom Kind als „Mittäter“ betrachtet werden,
07:40 Uhr – Medikamente etc. vorbereiten. Wie werden die Substanzen eingenommen? Oral oder intravenös?
08:00 Uhr – Zeit für Körperpflege. An guten Tagen geht alles der Reihe nach. An stressigen Tagen muss man Improvisationstalent beweisen.
Was muss beachtet werden?
Während all dieser Aufgaben muss immer mitdokumentiert werden. Dies dient nicht nur zur rechtlichen Absicherung, sondern zur Selbstkontrolle. Wurden die richtigen Mengen verabreicht? Zu welchem Zeitpunkt? Etc.?
Ende der ersten Runde: circa 09:30 Uhr (an besonderen Tagen kann es auch mal 11 Uhr werden)
09:00 Uhr – Arztvisite. Hier ist das ganze Team versammelt. Auch das Pflegepersonal wird gefragt, erzählt von der Nacht, gibt eine Einschätzung ab und macht Vorschläge, die von den Ärzten aufgegriffen werden. Man arbeitet im Team, zum Wohle des/der Patienten.
Nach der Visite geht die tägliche Routine weiter. Besuche werden gemacht. Gepflegt. Gehegt. Leitungen werden gelegt. Funktionen und Werte überwacht.
Ständiges Überwachen der Werte gehört einfach mit dazu.
Gibt es eigentlich oft Notfälle, wie man sie aus Fernsehserien wie Grey’s Anatomy oder Emergency Room kennt?
Nein! Es wird kaum eine Situation geben, in der ein Arzt im vollen Sprint auf ein Bett hechtet und wie wild den Patienten wiederbelebt. Die Patienten werden durchgehend überwacht. Laufend werden Werte ermittelt, übermittelt und beobachtet. In den seltensten Fällen kommt es zu unerwarteten Situationen. Dennoch kann es zu grenzwertigen Momenten kommen, in denen es Geschwindigkeit, Präzision und rasche Lösungskompetenz braucht.
Der Tod ist bei dieser Arbeit ein ständiger Begleiter.
“Es gibt gute und es gibt schlechte Jahre”, sagt mir meine Interviewpartnerin. “Der Tod gehört aber zu unserer Arbeit einfach mit dazu. Jeder von uns hat zwar seinen eigenen Zugang. Doch der Tod ist im Prinzip der unsichtbare Feind, dem man sich jeden Tag aufs neue stellt.” Auch wenn tagein, tagaus mit voller Kraft und vollem Einsatz zum Wohle der Patienten gearbeitet und gekämpft wird, ist man in manchen Fällen machtlos.
“2015 ist bei uns ein Kind verstorben. 2014 waren es fünf Kinder, die von uns gehen mussten. In solchen Momenten wird man still. Obwohl wir jeden Tag mit diesem Thema konfrontiert sind und wissen, dass der Tod dazu gehört, ist es eine enorme psychische Herausforderung. Für alle Beteiligten. Erst kürzlich ist ein Patient verstorben. Meine Kollegin hat ihn und seine Familie bis zum Schluss begleitet. Da hat man nur einen Wunsch: Dass der Patient in Frieden, möglichst ruhig, ohne großes Leid, ohne großen Schmerz und ohne Angst gehen darf.”
12 Uhr – Wer wird entlassen? Ärzte schreiben Entlassungbriefe. Patienten werden verabschiedet. Zimmer hergerichtet und für die nächsten Patienten vorbereitet.
13 Uhr – Pause. Arbeitskollegen übergeben sich gegenseitig die Verantwortung für die Zimmer. Im Schichtbetrieb wird Pause gemacht.
16 Uhr – Runden 2,3 und 4 werden absolviert. Die Systeme, Werte, Vitalzeichen (Blutdruck, EKG) werden gecheckt. (Diese Checks werden circa alle vier Stunden absolviert – bei Bedarf)
18 Uhr – letzter Check.
18:45 Uhr – Übergabe an den Nachtdienst.
19:15 Uhr – an einem guten Tag verlässt man nach einem 12-Stunden-Dienst pünktlich das Krankenhaus.
19:45 Uhr – Abendessen. Wohlverdienter Feierabend.