Wenn ein Kind zur Welt kommt steht die Zeit für einen kurzen Augenblick still. Für Pia Kompatscher, Hebamme an der Frauenklinik Innsbruck, gehören solche besonderen Momente zum Arbeitsalltag. Wir haben sie im Kreißsaal besucht, wo sie uns spannende, schöne, aber auch herausfordernde Einblicke in ihren Beruf gibt.

 

Warum hast du dich für den Beruf der Hebamme entschieden?

Dazu hat mich meine Oma inspiriert. Sie war auch Hebamme, vor etwa 50 Jahren in einem kleinen Tal in Südtirol. Damals hatte sie ein Pfarrer auserwählt und das war etwas ganz Besonderes, denn als Hebamme war man unentbehrlich im Dorf. Eine Frau, die mit ihren guten Ratschlägen, Heilmitteln und so manch einer Spritze das Dorfleben aufwertete. Egal ob bei sengender Hitze, stürmischem Schneegestöber oder Eiseskälte, vollgepackt mit ihrem Koffer hat sie sich auf den Weg gemacht. Geburten ohne warmes Wasser, betrunkene Männer, die am Abend nervös auf den Nachwuchs warteten oder mehrere Kinder, die sich um ihre gebärende Mutter scharten, haben zu ihrem Alltag gehört. Seit ich klein war, habe ich gespannt ihren Geschichten gelauscht und ich habe den Respekt gespürt, den sie vor ihrer Arbeit hatte, denn sie wusste um die Herausforderung dieses Berufs. Gleichzeitig war da aber immer dieses Funkeln in ihren Augen, das sie nie verloren hat. Als ich ihr dann vor einigen Jahren erzählt habe, dass ich auch Hebamme werden möchte, sagte sie zu mir: „Na, tuasch dir sel schun un?“ Sie hatte dieses Blitzen in den Augen und sah mächtig stolz aus und ich wusste – ich will ihre Leidenschaft weiterführen.

 

 

Wie war deine Ausbildung aufgebaut?

Die Ausbildung zur Hebamme besteht aus einem dreijährigem Bachelorstudium – beispielsweise hier in Innsbruck an der fh gesundheit. Das Besondere an dieser Ausbildung ist der hohe Praxisanteil – pro Semester hat man neben drei Monaten Vorlesungszeit drei Monate Praktikum. Im ersten Semester wird man im Praktikum ein bisschen ins kalte Wasser geworfen, aber dieser Beruf bleibt auch heute, neben dem umfassenden theoretischen Wissen, ein Handwerk und das lernt man am besten, wenn man Erfahrung sammelt. Im ersten Praktikum sieht man zu und hilft wo man kann – man ist das gewisse Extra für die Frau und verwöhnt die werdenden Eltern wo man kann. Bereits im zweiten Semester darf man bei Spontangeburten schon selbst ein bisschen werken.

 

 

Wie sieht dein Arbeitsalltag aus und wie läuft eine natürliche Geburt ab?

Das Schöne an meinem Beruf ist, dass wir keinen klassischen Alltag haben – jeder Tag ist anders und ich weiß nie was mich erwartet. Manchmal ist es sehr entspannt und manchmal wollen alle Babys zugleich das Licht der Welt erblicken. Es kann auch vorkommen, dass sich in kurzer Zeit Notfälle entwickeln, da braucht es auf der Stelle viele Leute gleichzeitig an einem Ort.

 

Grundsätzlich sind wir pro Tag zu viert – eine Hebamme ist für Kaiserschnitte im OP eingeteilt, zwei im Kreißsaal und eine auf unserer Präpartalstation – auf welcher z. B. Frauen mit Einleitungen liegen. Unsere Dienste dauern zwölf Stunden, dadurch können wir unsere werdenden Mütter möglichst lange begleiten.

 

Kommt eine Frau mit Wehen zu mir in den Kreißsaal, helfe ich ihr, sich erstmals im Zimmer einzurichten. Ich verdunkle den Raum und mache es ihr gemütlich. Sie und ihr Partner sollen es so angenehm wie möglich haben – da stelle ich mich ganz auf ihre Bedürfnisse ein. Man entwickelt ein gutes Gespür, was die Frau oder das Paar braucht. Manchmal sind sie anfangs gern alleine, um anzukommen, dann ziehe ich mich zurück. Andere brauchen mehr Unterstützung und eine engere Begleitung. Die Partner bzw. Partnerinnen sind während der Geburt die wichtigsten Begleiter, denn sie sind die Heimat der Frau. Durch ihre Nähe und Unterstützung kann sie loslassen.

 

Die Frau entscheidet wie sie ihren Weg gehen will. Sie kann sich etwas ausruhen, wenn sie müde ist, spazieren gehen, sich bewegen und eine feine Position finden oder in einer unserer zwei Badewannen ein warmes Entspannungsbad nehmen, wenn sie sich danach fühlt. Ich massiere sie, wenn sie das mag und wenn sie möchte, arbeiten wir auch mit Akupunktur und Homöopathie.

 

Bei der Geburt kommt eine Ärztin bzw. ein Arzt dazu, vier Augen, vier Hände und zwei Köpfe sehen, denken und handeln besser. Erblickt das Kind das Licht der Welt ist da dieser magische Moment – ein kurzer Augenblick – die Zeit steht still. Das Neugeborene wird abgetrocknet und auf den Bauch der Mama gelegt. Erst nach einigen Minuten wird die Nabelschnur durchtrennt. Zeit zum Kuscheln, Hautkontakt und Bonding. Innerhalb einer Stunde sollte auch die Nachgeburt geboren werden. Gemeinsam mit dem Gynäkologen prüfen wir, ob die Plazenta vollständig ist.

 

Die Eltern und das Kind bleiben nach der Geburt noch für mindestens zwei Stunden bei uns im Kreißsaal. Wir unterstützen sie beim Stillen und lassen ihnen Zeit sich in Ruhe kennenzulernen. Bevor Mama und Kind gemeinsam auf die Mutter-Kind-Station verlegt werden, untersuchen wir das Kleine: Sind alle Finger und Zehen da, gibt es Auffälligkeiten oder Veränderungen, wie ist die Atmung, die Hautfarbe. Vor allem auf das Gewicht, die Länge und den Kopfumfang sind die Eltern gespannt. Eine ausführliche Erstuntersuchung erfolgt später durch den Kinderarzt.

 

 

Welche organisatorischen Möglichkeiten der Geburt gibt es?

Es gibt mehrere Möglichkeiten eine Geburt zu planen. Einerseits die stationäre Geburt, bei der die Frauen mit den Kindern nach ca. zwei Stunden vom Kreißsaal auf die Mutter-Kind-Station verlegt werden und dort durchschnittlich drei Tage stationär bleiben. Sie werden dort von Krankenpflegern und Hebammen ver- und umsorgt. Andererseits ist bei uns auch eine ambulante Geburt möglich. Die frischgebackene Familie bleibt dabei durchschnittlich sechs Stunden im Kreißsaal und wird dann nach Hause entlassen. Dort werden sie von einer freiberuflichen Hebamme umfassend betreut. Natürlich gibt es auch die Kaiserschnittentbindung, nach der die Frauen meistens bis zu fünf Tage stationär bleiben.

 

Wie sieht die Begleitung durch Hebammen Zuhause aus?

Freiberufliche Hebammen begleiten Mütter in der Schwangerschaft und im Wochenbett. Jede Frau hat Anspruch auf eine Hebamme, das heißt die Krankenkasse übernimmt in den ersten fünf Tagen fünf Hausbesuche und dann sieben weitere in den ersten acht Wochen. Dabei unterstützt sie die Mamas beim Stillen, gibt Ratschläge und ist einfach für die Frauen da. Sie kontrolliert die Gewichtszunahme und Gesundheit des Kindes und weist bei eventuellen Problemen an Kinderärzte und Gynäkologen weiter. Für die Mütter kann diese Zeit der Umstellung und des Neubeginns oft eine große Herausforderung darstellen – Hebammen unterstützen mit ihren Hausbesuchen diese Zeit so gut es geht genießen zu können.

 

 

Was ist das Besondere an deinem Job, wo stecken die Herausforderungen?

Ich darf in jedem Dienst bei einem Moment dabei sein, an den sich die Mutter bzw. die Eltern sehr lange erinnern. Ich darf die Geburt eines neuen Menschen, also den Start ins Leben erleben. Das ist einfach wunderschön und etwas Unbeschreibliches! Es gibt so viele berührende Momente und im Grunde geht es eigentlich immer um Liebe.

 

Eine unserer größten Herausforderungen stellen sicher die geburtshilflichen Notfälle dar, wenn es plötzlich um Leben und Tod geht. So schön manche Momente sein können, so schwierig können manch andere sein. Da heißt es dann schnell reagieren und vor allem achtsam sein. Wie gehe ich mit dem Papa um? Wie bringe ich die Mutter so schnell wie möglich in den OP und gebe ihr dennoch das Gefühl, dass sie in guten Händen ist? Eine weitere große Herausforderung und gleichzeitig riesige Ehre stellt die Begleitung einer stillen Geburt dar – also eine Geburt, bei der ein Kind nicht mehr am Leben ist. Wir versuchen die Eltern in dieser Zeit einfach so gut es geht zu unterstützen, sie aufzufangen und ihnen Halt zu geben. Ganz so wie sie es gerade brauchen. Von diesen Herausforderungen darf ich vieles lernen und als Hebamme wachsen. Ich bin sehr froh, dass ich in einem tollen Team arbeite, in dem wir uns gegenseitig unterstützen und am Ende eines schwierigen Dienstes füreinander da sind.

 

 

Pia Kompatscher, BSc, ist Hebamme an der Univ.-Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe.

Was kannst du angehenden Hebammen empfehlen?

Vor allem kann ich ihnen sagen, dass sie sich sehr freuen können. Schon auf die Ausbildung, aber vor allem auf die Arbeit mit den Frauen und Paaren. Man darf einfach so viel lernen und so tolle, starke und inspirierende Frauen kennenlernen. Gleichzeitig möchte ich ihnen sagen, dass sie nicht aufgeben sollen, wenn es mal schwierig wird, denn gerade die Ausbildung ist sehr anspruchsvoll. Aber keine Sorge, es lohnt sich! Und das Wichtigste: dass sie ganz viel auf ihr Herz und auf ihr Bauchgefühl hören sollen.

 

 

Gibt es ein besonderes Erlebnis, das dich geprägt hat?

Meine Arbeit besteht aus so vielen besonderen Momenten. Das Schönste ist sicher, ein Paar die gesamte Geburt hindurch zu begleiten – und wenn dann das Kind auf die Welt kommt, tritt kurz ein magischer Moment ein. Die Stille, das Staunen, die Freude, das Glück. Einfach das pure Leben und die Liebe. Dafür bin ich sehr dankbar!

 

 

An der Klinik Innsbruck kommen pro Jahr rund 2.400 Kinder zur Welt. Frauen und Babys werden von einem Team aus Hebammen, Ärzten, Pflegemitarbeitern und Therapeuten betreut. 

 

Bilder: Birgit Koell