Im Sommer steigt die Zahl der Fahrradunfälle – auffälligerweise viele mit dem E-Bike. Rohit Arora ist der Direktor der Innsbrucker Univ.-Klinik für Traumatologie und Orthopädie und beantwortet uns Fragen zu den typischen Verletzungsmustern bei Radunfällen.
Gibt es klassische Verletzungsmuster bei E-Bike Unfällen? Welche Körperteile werden am häufigsten verletzt?
Generell erleiden E-BikerInnen im Vergleich zu klassischen MountainbikerInnen und StraßenradfahrerInnen mehrere und schwerere Verletzungen, darunter auch gehäuft Knochenbrüche.
40 Prozent der Verletzungen werden an den oberen Extremitäten verzeichnet. Am häufigsten trifft es dabei die Schulter. Knapp 20 Prozent der Verletzungen sind den unteren Extremitäten zuzuschreiben, der Häufigkeit nach Sprunggelenk, Kniegelenk und Hüfte. Der Rest betrifft Kopf und Gesicht.
Welche Altersgruppe ist am Häufigsten von Radunfällen betroffen und gibt es Unterschiede bei den Geschlechtern?
Die eine Gruppe umfasst junge DownhillerInnen zwischen 18 und 30 Jahren, die andere ältere E-BikerInnen. Das Muster ist eindeutig: über 60-jährige werden am häufigsten bei Unfällen mit dem E-Bike verletzt.
Rund 60 Prozent der Menschen, die infolge eines Radunfalls an der Univ.-Klinik Innsbruck für Orthopädie und Traumatologie behandelt wurden, sind männlich.
Verletzen sich auch viele Kinder mit den E-Bikes?
Derzeit fahren nur wenige Kinder mit E-Bikes…. Daher gibt es hier auch kaum Unfälle.
Würde es Sinn machen, beim Radfahren einen Protektor zu tragen?
Beim Downhillen ja. Hier ist nicht das Tempo, sondern eher die Strecke für die Unfälle verantwortlich. Beim normalen MTB- oder E-Bike Fahren würde der Protektor nicht unbedingt schützen.
Sind die Verletzungen beim Downhillen und beim E-Biken unterschiedlich?
Beim Downhillen haben wir meist junge PatientInnen und daher ändern sich auch die Verletzungsfolgen. Bei E-Bikern haben wir viele Hochgeschwindigkeitsverletzungen.
Ein weiterer Faktor, der zu beachten ist: DownhillerInnen tragen zunehmend gute Schutzausrüstung. Vor allem der Nackenschutz sorgt dafür, dass Verletzungen an der Halswirbelsäule vermehrt ausbleiben.
Immerhin haben die vergangenen Jahre gezeigt, dass der üblich gewordene Helm die Schwere von Gehirnerschütterungen abfängt.
Um diese Unfälle zu vermeiden bräuchte vermehrtes Wissen um die eigene Fitness. Hierzu haben wir bei Wolfgang Schobersberger, Institutsvorstand des Instituts für Sport-, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus (ISAG) der tirol kliniken nachgefragt:
Angesichts der steigenden Sportunfällen bei HobbysportlerInnen stellt sich die Frage, was man schon im Vorfeld machen kann, um das Risiko für schwere Verletzungen zu minimieren?
Das ist abhängig von der Sportart bzw. von den Verletzungsmustern; grundsätzlich wirkt sich ein Gleichgewichts-, bzw. propriozeptives (Eigenwahrnehmung des Körpers im Raum) Training positiv auf die Verletzungsprävention aus. Zu empfehlen wäre auch in den Wochen/Monaten vor Saisonstart die für die Sportart benötigte Muskulatur zu stärken. Beispielsweise beim Skifahren: im Herbst mit Übungen am Wackelbrett, Kniebeugen, und Rumpfkrafttraining beginnen. Im Falle von Unfällen mit Sportgeräten (z.B. E-Bikes) muss die sichere Beherrschung des Gerätes an erster Stelle stehen. Zusätzlich ist eine gewisse Grundlagenausdauer als Basis wichtig.
Gibt es Sportarten, die sich besonders gut als Vorbereitung für die Radsaison (E-Biken, MTB) eignen?
Im Grunde alles was die Hüft/Beinmuskulatur beansprucht. Skitouren, Langlaufen und Skifahren wirken sich positiv aus. Wir am ISAG unterstützen gerne bei einer Trainingsplanung zur Vorbereitung. Um Radunfällen vorzubeugen, v.a. mit E-Bikes, die ja rund doppelt so schwer sind wie ein normales MTB, ist bei Rad-unerfahrenen Personen ein Fahrtechnikkurs zu empfehlen.
Welche Muskeln werden beim E-Biken besonders beansprucht?
In erster Linie werden die vordere Oberschenkelmuskulatur und auch die Gesäßmuskulatur beansprucht – aber auch die Rumpfmuskulatur.
Wie kann ich meine Fitness selbst einschätzen?
Wer keine Sportuhr verwendet, kann regelmäßig die gleiche Strecke (z.B. zur Lieblingsalm) fahren und über die benötigte Zeit seine Leistungsfähigkeit beurteilen. Ein einfacher Tipp während des Radfahrens ist: Solange man noch gut mit Begleitpersonen sprechen kann, ist man in einem sogenannten aeroben Bereich, d.h. es kommt noch zu keiner Übersäuerung der Muskulatur und die Leistung kann länger erbracht werden.
Gibt es Warnsignale?
Jeden Tag vor dem Aufstehen am Handgelenk den Ruhepuls messen – Abweichungen von 10 Schlägen zum normalen Wert können auf Probleme hindeuten. Diese reichen von Übertraining bis hin zu anderen Stressformen und akuten Erkrankungen.
Was kann man gegen einen Muskelkater machen – sowohl als Prävention als auch als Therapie, wenn er schon da ist?
Muskelkater ist die Summe aus sogenannten Mikroeinrissen in den Muskelfasern, welche zu lokalen Entzündungsprozessen führen. Er entsteht nur bei exzentrischen Muskelbeanspruchungen, d.h. wenn mit der Schwerkraft gearbeitet wird (z.B. Bergabgehen). Fahrradfahren ist rein konzentrisch (Arbeit gegen die Schwerkraft) d.h. es entsteht kein klassischer Muskelkater. Der Muskelkater lässt sich durch regelmäßige exzentrische Belastungen vorbeugen, die von der Intensität her kontinuierlich leicht gesteigert werden. Zuverlässige Therapieformen gegen Muskelkater gibt es keine. Je nach Entzündungsstadium können Kälte- aber auch Wärmeanwendungen muskelkaterbedingte Schmerzen lindern.
Vielen Dank für die Interviews!
Fotos:
Portrait Arora (C. Unterwurzasacher), Portrait Schobersberger (privat), Radfotos (D. Zangler), Ergometer und Röntgen (G. Berger)