Keuchhusten – keine „Kinderkrankheit“
Ob Erwachsene oder Kinder: Die Zahl der Keuchhustenfälle hat sich in den vergangenen Jahren vervielfacht. 2024 kann man schon fast von einem ein „Keuchhusten-Jahr“ sprechen. Zum Vergleich: 2015 wurden österreichweit 579 Fälle gemeldet, 2024 waren es am 29. Oktober 13.441 Fälle. Was steckt hinter diesem Anstieg und wie kann man sich schützen? Keuchhusten ist keine “Kinderkrankheit”: Für den tirol kliniken-Blog informieren Kinderärztin Verena Kaiser und Betriebsärztin der tirol kliniken Slobodanka Hafian im Interview zu den Themen Ansteckung, Impfung und Therapie.
Wie erklären Sie sich den starken Anstieg an Keuchhusten-Fällen in Österreich dieses Jahr?
Hafian: Die Gründe dafür sind vielfältig. Eine Annahme ist der schwindende Impfschutz in der Bevölkerung. Da die Keuchhusten-Immunität nach einer Impfung oder Erkrankung nicht lebenslang anhält, sind regelmäßige Auffrischungsimpfungen erforderlich. Wenn diese vernachlässigt werden, steigt das Infektionsrisiko. Auch Covid spielt wahrscheinlich eine Rolle: Pandemiebedingte Maßnahmen, wie Lockdowns und Maskenpflicht haben in den letzten Jahren die Verbreitung vieler Atemwegserkrankungen eingeschränkt. Mit der Rückkehr zur Normalität und der Lockerung dieser Maßnahmen konnten sich Keuchhusten und andere Infektionen wieder leichter verbreiten.
Kaiser: Es ist auch so, dass Keuchhusten eine Erkrankung ist, die periodisch Auftritt. Ungefähr alle 5 Jahre gibt es ein höheres Infektionsgeschehen. Die Impfung verhindert zwar viele Infektionen, ist aber kein 100-prozentiger Schutz vor einer Erkrankung. Im Fall einer Erkrankung trotz Impfung ist aber jedenfalls ein weniger schwerer Verlauf zu erwarten: Wer innerhalb der letzten fünf Jahre geimpft oder aufgefrischt wurde, hat ein deutlich geringeres Risiko, mit dem Vollbild zu erkranken.
In vielen Köpfen ist Keuchhusten als Kinderkrankheit abgespeichert. Erwachsene können sich aber genauso anstecken. Verläuft die Erkrankung unterschiedlich bzw. wer zählt zur Risikogruppe?
Kaiser: Grundsätzlich kann man in jedem Alter an Keuchhusten erkranken. Besonders bei Neugeborenen und Säuglingen können schwere Verläufe aber tatsächlich auch lebensgefährlich sein, weshalb die Krankheit vielleicht bei vielen als Kinderkrankheit abgespeichert ist. Das klassische Symptombild von Keuchhusten reicht von dem keuchenden Husten und heftigen Hustenanfällen bis hin zum Erbrechen von zähem Schleim. Die Besonderheit bei Neugeborenen und jungen Säuglingen ist, dass sie oft keine Hustenanfälle haben. Dafür ist bei ihnen das Risiko für Atemaussetzer hoch.
Hafian: Obwohl Keuchhusten für gesunde Erwachsene in der Regel nicht lebensbedrohlich ist, kann er für bestimmte Risikogruppen gefährlich werden. Dazu zählen ältere Menschen, Schwangere, Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder chronischen Atemwegserkrankungen. In diesen Gruppen kann Keuchhusten zu Komplikationen wie Lungenentzündungen, Rippenbrüchen durch heftigen Husten, und zu Krankenhausaufenthalten führen. Bei Schwangeren kann es zusätzlich im Rahmen der Hustenanfälle zum Auslösen von Wehen kommen. Die Symptome bei Erwachsenen sind oft ein lang anhaltender, quälender Husten, der nicht immer das charakteristische Keuchen aufweist. Daher kommt es vor, dass die Erkrankung bei Erwachsenen nicht sofort erkannt und als gewöhnlicher Husten abgetan wird. Dies führt dazu, dass Keuchhusten unbemerkt weitergegeben werden kann.
Thema Keuchhusten-Ansteckung: Wie hoch ist das Risiko, sich bei einer erkrankten Person anzustecken?
Hafian: Keuchhusten wird durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen. Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist, dass auch geimpfte Personen, die eine mildere Verlaufsform haben, Keuchhusten weitergeben können. In Österreich besteht für Keuchhusten Meldepflicht. Das bedeutet, dass auch jeder Verdachtsfall den Gesundheitsbehörden gemeldet werden muss. Dies trägt dazu bei, Ausbrüche frühzeitig zu erkennen und weitere Infektionen zu verhindern.
Kaiser: Vielleicht ein Beispiel zur Einschätzung: Das Risiko für ein ungeimpftes Kind sich im gemeinsamen Haushalt bei einer erkrankten Person anzustecken liegt bei 90 Prozent.
Wie kann man sich schützen, wie lauten die aktuellen Impfempfehlungen?
Hafian: Neben den klassischen Hygienemaßnahmen wie Abstand halten und Händehygiene bietet die Impfung den wichtigsten Schutz. Keuchhusten ist Teil der Standardimpfungen im Kindesalter und muss im Erwachsenenalter regelmäßig aufgefrischt werden.
Anfang Oktober 2024 ist der neue österreichische Impfplan für die Saision 2024/25 offiziell veröffentlicht worden. Hier wurde das empfohlene Impfintervall erstmals auf 5 Jahre reduziert. Eine Auffrischung wird also alle 5 Jahre statt bislang alle 10 Jahre empfohlen.
Kaiser: Bei Kleinkindern geht man mit der Impfung von einem Erkrankungs-Schutz von 65 Prozent aus, mit der Auffrischung im Volkschulalter steigt der Schutz auf 75 Prozent. Wichtig ist auch der Schutz der Neugeborenen durch die Antikörper der Mutter. Schwangeren wird unabhängig vom Impfstatus eine Auffrischungsimpfung im 3. Trimester empfohlen. Damit soll die bestmögliche Übertragung der mütterlichen Antikörper erreicht werden, da sprechen wir vom sogenannten „Nestschutz“. Auch alle anderen Personen, die einen engen Kontakt zu Neugeborenen haben sollten ihren Impfstatus überprüfen und gegebenenfalls auffrischen.
Wie behandelt man Keuchhusten im Fall einer Erkrankung, bei einem leichten oder auch schweren Verlauf?
Hafian: Die Behandlung von Keuchhusten erfolgt in der Regel mit Antibiotika, sogenannten Makroliden. Sie dämmen außerdem die Verbreitung der Bakterien ein und verkürzen die Dauer der Ansteckungszeit. In der Regel sind Erkrankte fünf Tage nach Beginn einer wirksamen Antibiotikatherapie nicht mehr ansteckend. Begleitend zur antibiotischen Therapie können Hustenstiller oder entzündungshemmende Medikamente verschrieben werden, um die Symptome zu lindern. In manchen Fällen wird auch die prophylaktische Therapie von engen Kontaktpersonen empfohlen, um eine Ausbreitung zu verhindern. Auch geimpfte Personen können trotzdem Überträger sein.
Kaiser: Die frühe Diagnose ist dabei sehr wichtig – ein früher Therapiestart hat den größten Einfluss auf die Symptombekämpfung. Neben spezifisch wirksamen Antibiotika gibt es zur Therapie bei Kindern die klassischen symptomatischen Maßnahmen wie bei anderen Atemwegserkrankungen auch: Nasenspülungen, Nasensprays, Luft befeuchten und so weiter. Bei erkrankten Neugeborenen empfehlen wir zur Sicherheit eine stationäre Überwachung und machen auch ein Blutbild. Wichtig für zu Hause: bei starker Atemnot, Atempausen oder auch bei einem Fieberanstieg bitte sofort ärztlich abklären lassen.
Weitere Informationen:
Keuchhusten (Pertussis) – AGES
Zu den Personen:
Dr. Slobodanka Hafian leitet den betriebsärztlichen Dienst der tirol kliniken. Mitarbeiter:innen der tirol kliniken können zu ihrem eigenen Schutz und dem Schutz ihrer Patient:innen ihren Impfstatus in der betriebsärztlichen Ambulanz überprüfen und ggf. gratis impfen lassen.
Dr. Verena Kaiser ist Oberärztin an der Innsbrucker Kinderklinik und leitet die allgemeine Ambulanz der Kinderklinik.
Bildnachweis
Porträts: tirol kliniken, privat
Titelfoto: Foto von cottonbro studio von Pexels: https://www.pexels.com/de-de/foto/mann-mannlich-krank-grippe-4114713/