Durch die rasanten Fortschritte in der Medizin und durch den gesellschaftlichen Wandel liegt der Fokus der Mitarbeiter in einer Krankenanstalt wie den tirol kliniken in erster Linie auf Diagnose, Behandlung, Heilung und der damit verbundenen Lebensverlängerung. Genau deshalb ist es wichtig, mehr Bewusstsein und Expertise für palliative Behandlungssituationen – wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist – zu schaffen. Menschen, die an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leiden sowie deren Angehörige sollen in dieser belastenden Situation bis zum letzten Augenblick begleitet werden. Es geht um eine ganzheitliche Betreuung, dazu gehören neben dem Erhalt bzw. der Verbesserung von Lebensqualität, eine gute Kontrolle belastender Symptome wie Schmerzen, Übelkeit/Erbrechen, Atemnot aber auch Angst und Unruhe. Integriert in die Betreuung sind psychosoziale und spirituelle Aspekte, die am Lebensende oft eine große Rolle spielen.
Der Palliativkonsiliardienst an den tirol kliniken, bestehend aus einem interprofessionellen Team von speziell ausgebildeten Ärzten, Pflegepersonen, Mitarbeitern der Sozialberatung und Klinischen Psychologen, arbeitet eng mit den betreuenden Teams von schwerkranken Patienten nach palliativmedizinischen Grundsätzen zusammen.
Anlässlich des Welthospiztages, welcher jährlich am zweiten Samstag im Oktober begangen wird, geben uns Walpurga Weyrer (ärztliche Leitung des Palliativkonsiliardienstes an der Klinik Innsbruck) und Christina Giesinger (Stellvertretende Leiterin der Sozialberatung) einen Einblick in diese wichtige Arbeit.
Die Geschichte von Palliative Care
Der Ursprung der modernen Palliativmedizin liegt in England. Cicely Saunders, Krankenschwester und später auch Ärztin, erkannte, dass Menschen am Lebensende nicht die Betreuung bekamen, die sie eigentlich bräuchten. Sie gründete 1967 das berühmte St. Christopher`s Hospice, eine Einrichtung, die schwerkranken Menschen eine lebenswerte Zeit bis zum Lebensende ermöglicht.
Der kanadische Arzt Balfour Mount gründete später den Begriff der Palliative Care, abgeleitet vom lateinischen Wort Pallium für „schützenden“ Mantel. Sein Ziel war es, palliativmedizinische Versorgung in Krankenhäusern zu etablieren.
In Österreich gibt es seit 2004 ein Konzept einer modular abgestuften Palliativ- und Hospizversorgung, das eine Grundversorgung in Hospiz und Palliative Care und eine Versorgung durch spezialisierte Hospiz- und Palliativeinrichtungen einplant. Dieses Konzept wurde 2006 von Politik und Ärztekammer bestätigt und zum Teil in den Österreichischen Strukturplan Gesundheit aufgenommen. Eine Grundversorgung in Hospiz und Palliative Care sollte möglichst in allen Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens, wie beispielsweise in Krankenhäusern erfolgen, damit können in etwa 80 % der Patienten mit Palliativbedarf gut versorgt werden. Das spezialisierte Versorgungsangebot, das für etwa 20 % der Patienten im palliativen Setting notwendig ist, umfasst sechs Formen (Hospizteam, Mobiles Palliativteam, Palliativkonsiliardienst, Tageshospiz, Stationäres Hospiz und die Palliativstation).
Total Pain
Schon Cicely Saunders forschte hinsichtlich Schmerzlinderung und entwickelte das Konzept von „total pain“, dem Schmerz in seiner körperlichen, psychischen, sozialen und spirituellen Dimension. Es geht dabei nicht nur um rein körperliche Schmerzen, sondern auch um die schmerzhafte Auseinandersetzung schwerkranker Menschen mit dem Verlust ihrer Lebensfunktionen und Selbstbestimmtheit sowie die Konfrontation mit schwer zu lindernden Symptomen. Eine gute Betreuung am Lebensende muss all diese Dimensionen berücksichtigen.
Herausforderungen des Palliativkonsiliardienstes
Der Palliativkonsiliardienst tritt nach Anforderung durch das betreuende Ärzteteam primär in beratender Funktion auf. Ebenso kann er von Pflegekräften gerufen werden, aber auch von Patienten und deren Angehörigen selbst, wenn sie sich über zusätzliche Unterstützungsmöglichkeiten informieren wollen. Die Kontaktaufnahme erfolgt also sehr niederschwellig. Die Planung und Umsetzung der nächsten Behandlungsschritte bleiben immer in den Händen des primär betreuenden Teams.
Herausforderungen für die Sozialarbeit in der Palliativmedizin
Eine palliative Erkrankung bringt neben körperlichen Beschwerden auch in allen sozialen Bereichen Veränderungen mit sich: Ist die erkrankte Person noch berufstätig, führen lange Krankenstände und in der Folge ein Reha-Geld Bezug oder eine Frühpensionierung meist zu beträchtlichen Einkommensverlusten. Zudem kommen in der Regel krankheitsbedingte Mehrausgaben dazu. Auch bauliche Barrieren können zum Problem werden. Hier kann die Sozialarbeit oftmals Wege aufzeigen, wie diese Situationen finanziell abzufedern und zu stabilisieren sind.
Körperliche Einschränkungen und Pflegebedürftigkeit stellen indes nicht nur Patienten vor große Herausforderungen, sondern das gesamte Familiensystem. In einem Prozess, der immer wieder Veränderungen, Ängste und schmerzhafte Abschiede mit sich bringt, braucht es eine gute Begleitung – auch der An- und Zugehörigen. Daher kann es um die Sicherheit der Hinterbliebenen gehen, um Dokumentenbeschaffung, aber auch um die Versorgung von Kindern. Die Beratung zu sozialrechtlichen, arbeitsrechtlichen und finanziellen Ansprüchen ist daher ein großer Bestandteil der Sozialberatung in Palliative Care.
Das große Ziel ist es, palliativen Patienten ein Leben und Sterben an dem Ort zu ermöglichen, der ihnen der Liebste wäre (zuhause, im Krankenhaus, auf der Palliativstation oder im Pflegeheim). Da kann es auch schon vorkommen, dass ein Rücktransport in das Herkunftsland organisiert wird. Neben dem Patientenwillen werden die Grenzen sowie die Ressourcen des familiären Unterstützungsnetzes dabei ebenso berücksichtigt, wie die sich bietenden finanzierbaren ambulanten Unterstützungsmöglichkeiten.
Kommunikation am Lebensende
Am Lebensende verlagert sich das medizinische Handeln in Richtung Kommunikation. Gespräche mit dem schwerkranken Menschen und deren An-/Zugehörigen stellen einen Großteil der medizinischen Tätigkeiten dar. „Durch die Multiprofessionalität können wir auch in einer eher kleinen Gruppe vieles abdecken“, so Weyrer. Am Ende des Lebens kann es darum gehen, den Patienten zu ermöglichen, für sie wichtige Dinge noch zu regeln. Wenn diese Gespräche möglich sind, ist oft eine große Erleichterung spürbar.
Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen
Die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen ist in der Regel sehr gut, die Beratung wird meist gerne angenommen. Durch Fortbildungen wird zusätzlich versucht, das Interesse für palliativmedizinische Themen zu wecken.
Welthospiztag
Im Zuge des Welthospiztages sollte die Aufmerksamkeit auf eine gelungene Kommunikation, die am Lebensende so wichtig wird, gelenkt werden. Wenn Gespräche gut und offen verlaufen, kann man die Patienten und Angehörigen ein Stück weit in ihrer Trauerarbeit, die schon lange vor dem Versterben beginnt, begleiten.
Angelehnt an ein Zitat von Max Frisch, „Man sollte die Wahrheit dem anderen wie einen Mantel hinhalten, dass er hineinschlüpfen kann – nicht wie ein nasses Tuch um den Kopf schlagen“, ist eine behutsame Kommunikation von großer Bedeutung. Walpurga Weyrer: „Wenn jemand nicht in den Mantel hineinschlüpfen will, passt das auch, es geht also nicht darum, umzusetzen, was man als Arzt oder Ärztin will, sondern es geht darum, die Bedürfnisse der Patienten zu hören, das ist das Entscheidende.“ Für Christina Giesinger wäre die Enttabuisierung noch ein wichtiges Thema: Das Sterben soll als Teil des Lebens angenommen werden, es gehört dazu.
Das Interview führte Sabrina Gattringer. Text: Iris Schirmer. Bilder: Gerhard Berger