Aus den Augen, aus dem Sinn. Im Alltag verschwenden die wenigsten Menschen einen Gedanken daran, was mit ihrem Müll passiert. In einem Großbetrieb wie der Klinik Innsbruck fallen ungeheure Mengen von Abfall an. 3.200 Tonnen sind es pro Jahr, Tendenz steigend. Dafür, dass dieser möglichst nachhaltig und sicher entsorgt wird, ist Kornelia Giersig seit nunmehr 19 Jahren verantwortlich. Sie leitet die Abteilung Ökologie mit insgesamt 15 Mitarbeitern.
60 Abfallarten werden an der Klinik gesammelt
Ihre Aufgabe ist so vielfältig wie der anfallende Abfall. Von Patientenakten, die dem Datenschutz unterliegen, gefährlichen Abfällen aus den Labors und Werkstätten über medizinischen Müll bis zu Speiseresten und gewöhnlichem Hausmüll reicht die Palette. Rund 60 verschiedene Abfallarten werden an den tirol kliniken getrennt erfasst, gesammelt und entsorgt oder verwertet. Je eine Seite umfassen die Trennrichtlinien für den medizinischen und den nicht-medizinischen Bereich.
Nachhaltigkeit als oberster Grundsatz
„Der Grundsatz der Nachhaltigkeit steht ganz oben. Das bedeutet einen personal-, kosten- und ressourcenschonenden Umgang. Dass Wertstoffe gesammelt und verwertet werden, das ist mir nicht nur ein berufliches, sondern ein persönliches Anliegen“, schildert Giersig.
920 Tonnen Speisereste werden zu Energie
Von den 3.270 Tonnen Abfall ist rund die Hälfte tatsächlich Müll, ein Viertel sind Wertstoffe und das restliche Viertel Speisereste. 6.000 Mahlzeiten werden in den tirol kliniken pro Tag zubereitet. Aus den 920 Tonnen verbleibenden Speiseresten im Jahr wird Biogas und somit Energie produziert.
Ausgefeiltes Konzept sorgt für Sicherheit
Es ist ein ausgefeiltes Konzept, das sicherstellt, dass heikle Abfälle richtig entsorgt werden. So sind die Behälter mit einer Absenderkennung versehen, durch die sie zurückverfolgt werden können. Zusätzliche Sicherheitsebenen garantieren den Schutz der Mitarbeiter.
Das ist besonders bei Resten oder Verpackungen der Chemotherapien (rund 8.400 kg pro Jahr), anderen Chemikalien, Lösungsmitteln, radioaktiven Stoffen (Kostenpunkt ca. 150.000,- Euro pro Jahr) oder infektiösen Abfällen wichtig. Diese werden nur in speziellen Containern und mit hoher Sicherheitsstufe transportiert. Aber auch verletzungsgefährdende Gegenstände wie Spritzen, Skalpelle oder Ampullen werden nur in Sicherheitsbehältern gesammelt.
Weniger Keime als Restmüll daheim
Als Doktorin der Mikrobiologin hat Giersig eine enge Schnittstelle zur Hygiene. Sie weiß: „Ein roter Sack (medizinischer Abfall) enthält weniger Keime als der Restmüll zuhause. Die Entsorgung muss so sicher sein, dass Krankheitserreger dort bleiben, wo sie sein sollen.“
Das wird durch kurze Stehzeiten, Genauigkeit, Desinfektionsmittel und ganz wichtig: Schulung der Mitarbeiter erzielt. „Wir führen laufend Schulungen durch. Im Vorjahr haben wir so 2.000 Kolleginnen und Kollegen erreicht.“
Vom Müllkübel auf der Station bis in die Abfallzentrale
Wir machen uns heute auf die Spur des Abfalls und verfolgen seinen Weg von der Entstehung bis zum Abtransport vom Gelände nach. Auch hier ist schnell zu erkennen: Das Konzept ist wohl durchdacht. Von Kleinigkeiten bis ins Detail.
Die Entsorgung beginnt in den Stationsstützpunkten, wo die Pflege dafür verantwortlich ist. Die Mülleimer sind mit Farben und Symbolen versehen, um eine möglichst hohe Treffsicherheit beim Trennen zu erreichten. Bedient werden die Behälter vorzugsweise mittels Fußpedal, die Hände kommen in der Regel nicht in Kontakt, was der Verbreitung von Keimen vorbeugt.
Müllsäcke per Strichcode nachverfolgbar
Jede Station hat einen Ausgussraum und jeder Stock einen Entsorgungsraum, der sich in der Nähe des Aufzuges befindet. Die Müllsäcke werden mit Strichcode-Aufklebern versehen und können so elektronisch erfasst, zurückverfolgt und verrechnet werden. Hier packt das Reinigungspersonal die Müllsäcke schließlich auf kleine Wägen. Diese werden von den 35 Mitarbeitern des Hol- und Bringdienstes nach unten gebracht.
Durchs unterirdische Labyrinth in die Entsorgungszentrale
Unterirdisch befindet sich das Versorgungsnetz der Klinik Innsbruck. Hier herrscht reger Verkehr. Die aneinandergehängten Müllwägen werden von einer Elektrozugmaschine gezogen. So schlängeln sich diese Züge schließlich durch das unterirdische Labyrinth der Klinik-Gänge.
Ihr Weg führt zum Herzstück der Abfallentsorgung. Hier stehen die großen Container, die von den Mitarbeitern im letzten Schritt in Handarbeit befüllt werden. In Sekundenbruchteilen entscheiden sie, wo ein Sack hingehört. Das klingt einfacher als es in Wirklichkeit ist. Nicht jeder „Gelbe Sack“ beispielsweise landet im Verpackungsmüll. Sind durch die halb durchsichtige Hülle Fehlwürfe zu erkennen, wandert der Sack in den Abfall. Dafür reicht schon ein medizinischer Plastikhandschuh oder ein Infusionsbesteck.
Präzise Handarbeit
Mit großer Präzision werden sie mit kraftvollen Würfen an ihr endgültiges Ziel, zumindest am Klinikgelände, befördert. Die nach rechts und links fliegenden Säcke mögen nach Chaos aussehen, folgen aber einer genauen Ordnung.
Kommt es hier mit den Großcontainern zu Problemen, stauen sich in kürzester Zeit die Abfallwägen in den Gängen. Was den Augen der meisten Klinikbesucher verborgen bleibt, könnte also im schlimmsten Fall den Betrieb lahmlegen. Heute ist die Presse in einem Container defekt, deswegen verschieben die Mitarbeiter ihre Pause nach hinten, um einen Berg Kartonagen aufzuarbeiten.
Kontinuierlich immer besser werden
Kornelia Giersig wirkt zufrieden. Ihr geschulter Blick hat zwar auch bei diesem Rundgang ein paar Kleinigkeiten entdeckt, die sie auf ihre innere Verbesserungs-to-do-Liste setzen wird. Aber nur so kommt die Entwicklung voran. „Wir besuchen jedes Jahr alle Stationen, besprechen und analysieren mit den Mitarbeitern, um Verbesserungspotential auszuloten. Das fließt in einen Kontrollbericht ein. Dann beginnt sich das Rad neuerlich zu drehen. Mit dem Ziel, jedes Jahr ein bisschen besser zu werden“, schildert Giersig.