Der Fasching steuert unweigerlich auf seinen Höhepunkt zu. Faschingsfeste werden gefeiert, wie sie fallen. Damit fließt auch der Alkohol in rauen Mengen. Anlass genug, um einen Experten auf diesem Gebiet zum Gespräch zu bitten.

Vorab muss gesagt werden, dass bei den “tirol kliniken” in Bezug auf Alkoholsucht wertvolle Arbeit geleistet wird. Besonders hervorzuheben ist dabei auch das “Therapie und Gesundheitszentrum Mutters”. Dieses feiert heuer das 20-Jahr-Jubiläum und hat weitaus mehr Aufmerksamkeit verdient!

Mein Gesprächspartner, Ao. Univ.-Prof. Dr. Sergei Mechtcheriakov, ist der Arbeitsgruppenleiter für Abhängigkeitserkrankungen und somit am Department für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der tirol kliniken tätig. Er hat sich somit mit diesem Thema intensiv wissenschaftlich auseinandergesetzt. Außerdem kommt er – als Wissenschaftler mit russischen Wurzeln – aus einem Land mit einer langen und widersprüchlichen Trinkkultur.

Im Gespräch mit gschichten.com wird unter anderem deutlich gemacht, was sich in unserem Körper abspielt, wenn wir trinken oder betrunken sind. Werden wir tatsächlich lustiger, geselliger und freundlicher, wenn wir trinken? Gibt es so etwas wie einen vernünftigen Alkoholkonsum? Und was versteht man unter “Trinkeffizienz” ((c) Prof. Sergei Mechtcheriakov)

Markus Stegmayr: Herr Prof. Mechtcheriakov: Was passiert eigentlich in unserem Kopf, wenn wir trinken? Wie verändert sich unsere Wahrnehmung?

Prof. Sergei Mechtcheriakov: Es hängt wesentlich davon ab, in welchem Zustand man ist, wenn man Alkohol trinkt. Mit welchem Ziel beginnt man, Alkohol zu trinken? Gehen wir davon aus, dass jemand als normal gesunder Mensch zu einer Party kommt und Alkohol konsumiert. Dieser hat höchstwahrscheinlich das Ziel, sich zu entspannen und sich zu amüsieren. Vielleicht möchte er auch ein wenig in Fahrt kommen und kommunikativer werden.

In diesem Fall kann Alkohol seine Wirkung sehr gut entfalten. Alkohol ist in leichten Dosierungen eine enthemmende Substanz. Er wirkt sich auf die Wächter-Neuronen aus – sie kontrollieren unser Verhalten und sorgen dafür, dass wir Grenzen nicht überschreiten. Diese Neuronen werden durch den Konsum leicht betäubt. Damit wird es möglich, dass Dinge geschehen, die ansonsten kontrolliert, verdrängt oder gehemmt werden. Es kann sich somit eine entspannende, leicht euphorisierende Wirkung einstellen.

Dabei gibt es aber ein Problem: Alkohol ist trügerisch. Die Wirkung von Alkohol ist sehr unzuverlässig. Man kann ihn relativ leicht überdosieren. Dann stellen sich unangenehme Wirkungen ein.

Alkohol und Fasching gehören für viele zusammen. Geht es auch anders?

Es besteht die Gefahr, dass man die Kontrolle über sich und seinen Körper verliert. Man schätzt Risiken falsch ein. Die euphorisierende Wirkung kann kippen und das kann zu Frustration oder Aggression führen. Erleichterte Kommunikation wird zuletzt zu Gestammel.

Es kommt insgesamt darauf an, wie viele Wächter-Neuronen betäubt werden und welche Person trinkt. Personen, die Alkohol trinken, weil sie sich auf andere Weise nicht entspannen können, sind auf alle Fälle gefährdeter. Die meisten Österreicher trinken aber eigentlich in einem gesunden Maße. Sie trinken entweder gar nichts oder in Maßen.

Stegmayr: Wer trinkt in Österreich eigentlich wie viel?

Prof. Mechtcheriakov: 15 bis 20 Prozent der Österreicher trinken sehr viel und sind somit gefährdet, ca. ein Drittel dieser Menschen ist abhängig. Man kann davon ausgehen, dass 17 Prozent der Österreicher bis zu 70 Prozent des gesamten Alkohols im Land konsumieren. Österreich liegt im europäischen Vergleich ziemlich weit vorne, was den Pro-Kopf-Konsum betrifft. Man muss aber sehen, dass davon 70 Prozent von den Personen getrunken wird, die an sich viel zu viel trinken. Diesen Menschen kann auch geholfen werden. Aber die Frage ist natürlich, wie konsumiert man richtig?

Fasching und Alkohol: Wie trinkt man “richtig”?

Stegmayr: Es gibt ja auch einen „Trend“ dahin, am Wochenende viel und exzessiv zu trinken. Wie sehen Sie das? Was ist besser vertragbar: Unter der Woche jeden Tag zwei bis drei Bier oder am Wochenende zehn Bier zu trinken?

Prof. Mechtcheriakov: Wenn Sie als erwachsener Mann wochentags ein bis zwei Bier trinken, dann ist alles noch knapp im Rahmen, was die tägliche Höchstmenge an Alkohol betrifft. Ein Bier wäre besser – dann sind Sie nicht in der Risiko-Zone. Aber auch diese Grenze wird oft überschritten. Wenn Sie das mit den ein-zwei Bier aber fünf Mal in der Woche machen und das Wochenende auslassen, dann ist das eher weniger riskant als wenn Sie die Dosis mit fünf Bier oder mehr pro Tag überschreiten – das ist zu viel für unseren Körper. Exzessives Trinken kommt aber nicht nur am Wochenende vor – das gehört bei vielen leider auch unter der Woche zum abendlichen Erholungsprogramm. (Anm. MS: Dieser Text ist hier ergänzend interessant).

Alkohol und Fasching: Sind vier Bier schon zwei zu viel?

Stegmayr: Wie kann man seinen Alkohol-Konsum steuern? Kann man trinken „lernen“?

Prof. Mechtcheriakov: Für Menschen, die nie abhängig waren, ist es prinzipiell gut kontrollierbar, wenn man einige Regeln beachtet. Man darf zum Beispiel dem Rauschzustand nicht “hinterherlaufen”. Das würde dazu führen, dass mit der Zeit immer mehr Alkohol benötigt wird, um einen Rauschzustand zu erreichen. Man muss außerdem die wöchentliche und tägliche Alkoholmenge beachten. Auch die Tatsache, dass die Gefahrengrenzen für Frauen grundsätzlich um ein Fünftel niedriger als für Männer sind, ist wichtig. Zwei Tage in der Woche völlig alkoholfrei wären für alle nicht schlecht.

Ein Problem ist der Umgang mit Alkohol in der Gesellschaft. Man geht oft mit Alkohol so um, dass man möglichst viel trinkt und dabei dennoch auf den Beinen bleiben möchte. (Anmerkung MS: Dieser Text ist in diesem Kontext weiterführend relevant) Eine bessere Strategie wäre es, eine gewisse „Trinkeffizienz“ anzustreben. Ich versuche dabei, von so wenig Alkohol so viel Spaß wie möglich zu bekommen.

Bier trinken mit Freunden? Kein Problem. Ab man sollte stets die Menge im Auge behalten.

Gehen wir davon aus, dass man zu einer Faschingsparty geht, sich verkleidet hat und Spaß haben möchte. Wenn ich meine persönliche “Trinkeffizienz” im Blick habe, würde ich nicht anstreben, so viel Alkohol wie möglich zu “vertilgen” und dabei immer noch auf den Beinen zu bleiben. Das Ziel wäre es, Spaß zu haben, entspannt und unterhaltsam  zu werden ohne Probleme zu bekommen. Wenn ich Hunger habe, versuche ich ja auch nicht, diesen mit der größtmöglichen Anzahl an Schnitzel zu stillen. Ich stille meinen Hunger, genieße mein Essen und bekomme keine Probleme dabei. So soll es auch mit Alkohol möglich sein.

Das gilt auch für den Fasching und die anstehenden Faschingsfeste. Ich plädiere für mehr Spaß bei weniger Alkohol. Das verstehe ich unter „Trinkeffizienz“. Dann kommt man womöglich zur Erkenntnis: „Super, dass ich mit so wenig Alkohol so viel Spaß haben kann!“. Das zeigt, dass ich ein gesunder Mensch bin und ein gutes Verhältnis zum Alkohol habe.

Stegmayr: Herr Prof. Mechtcheriakov, ich bedanke mich für dieses interessante Gespräch!

Zusatz: Mir bleibt abschließend eines zu sagen: Geht hin, verkleidet euch, habt Spaß bei den anstehenden Faschingspartys. Fasching und Alkohol vertragen sich durchaus gut. Aber behaltet die Trinkeffizienz im Auge!