Die Grippewelle 2023/24 hat bereits begonnen und wird in den kommenden Wochen und Monaten noch weiter ansteigen. Viele Menschen verbrachten die Feiertage rund um Weihnachten und Neujahr krank im Bett. Oft ist es schwierig zu unterscheiden, ob es sich um eine Erkältung, Corona oder die echte Grippe handelt. Warum man die echte Grippe nicht unterschätzen darf und ob die Impfung dagegen etwas bringt, erläutert Univ.-Prof. Dr. Günter Weiss, Direktor der Univ.-Klinik für Innere Medizin II (Infektiologie).
Was ist die echte Grippe?
Die echte Grippe ist eine Infektion durch Influenza-Viren, die sich durch plötzlich einsetzende Symptome wie Kältegefühl, Frösteln, Muskel- und Gelenksschmerzen sowie hohes Fieber auszeichnet. Das sind die Anzeichen, dass sich die Viren im ganzen Körper verbreiten und die entsprechende Symptomatik hervorrufen. Das Fieber hält ohne Behandlung etwa drei bis sechs Tage an und wird im Anschluss von einer Rekonvaleszenzphase von mindestens einer Woche begleitet. Die Grippe zieht einen ungefähr 14 Tage aus dem Verkehr.
Warum kann Grippe so schwer verlaufen?
In der primären Phase der Infektion, also in den ersten Tagen nach der Ansteckung, kann es durch das hohe Fieber und die Aktivierung der Gerinnung zu einer vermehrten Belastung des Herzens kommen. Dies ist vor allem bei älteren Menschen mit Vorerkrankungen gefährlich, da es zu einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle oder Herzinfarkte führen kann. In der Folgephase der Infektion, also nach etwa einer Woche, kann die Grippe die Schleimhäute der Atemwege schädigen. Dadurch können Bakterien leichter in den Körper eindringen und eine bakterielle Lungenentzündung verursachen. Diese kann schwer verlaufen und sogar tödlich sein. Aus diesem Grund muss die Krankheit rasch therapiert werden.
Für welche Personen kann die Grippe ein echtes Risiko darstellen?
Das Alter ist ein wichtiger Risikofaktor für einen schweren Grippeverlauf. Das Immunsystem älterer Menschen reagiert schlechter und im Alter hat man natürlich mehr Begleiterkrankungen. Vor allem solche, die dazu führen, dass wir die Infektion schlecht abwehren können. Zu diesen Erkrankungen zählen unter anderem Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Lungenerkrankungen oder Krebs.
Warum muss man jedes Jahr Grippe impfen?
Das Problem ist, die Viren verändern sich dauernd. Pro Jahr zirkulieren meistens drei verschiedene Virusstämme, das sind Influenza-A- und Influenza-B-Virusstämme. Die Grippe ist ganzjährig auf der Erde vorhanden, aber sie tritt in der kalten Jahreszeit häufiger auf. Bei uns meistens irgendwann im Dezember losgehend bis März, April. Auf der Südhalbkugel ist es dann umgekehrt. Dort tritt die Grippe von Juni bis Oktober auf. Die Grippeviren können sich durch diese vielen Infektionen und Wechselwirkungen mit Menschen und Tieren leicht verändern. Das bedeutet, dass eine Impfung oder eine Infektion im Vorjahr nicht unbedingt vor einer neuen Grippe im nächsten Jahr schützt.
Stimmt es, dass eine regelmäßige Grippeimpfung eine Grundimmunität aufbaut?
Wir kennen die Grippe jetzt schon eine sehr lange Zeit und trotzdem ist in manchen Bereichen unser Wissen noch etwas eingeschränkt. Eine Studie aus Japan zeigt, dass der beste Schutz besteht, wenn man sich drei Jahre hintereinander impfen lässt. Es ist aber noch nicht klar, ob dieser Schutz auch nach einem Jahr Pause aufrechterhalten wird. Ich glaube, da muss man einfach noch ein bisschen mehr herausfinden, wie gut der Schutz wirklich ist.
Eine weitere ungelöste Frage lautet, wie oft im Leben kann ich eine Grippe bekommen?
Wie gut die Immunität anhält, wenn man eine Infektion durchgemacht hat, wissen wir eigentlich nicht. Es gibt auch ein Phänomen, das als „Immunimprinting“ bezeichnet wird. Dabei scheint es so zu sein, dass man gegen das erste Grippevirus, mit dem man in Kontakt kommt, eine sehr gute Immunität entwickelt, die wahrscheinlich das ganze Leben anhält. Gegen andere Viren ist die Immunität dagegen relativ schlecht. Diese Erkenntnisse könnten zur Optimierung der Impfung und Therapie von Grippepatient:innen beitragen.
Wann und wie wird festgelegt gegen welche Stämme ein Impfstoff entwickelt wird?
Die Grippeimpfung wird jedes Jahr auf Basis der Virenstämme der Vorsaison geplant. Dazu werden die Viren untersucht und ihre Protein- oder Antigenstrukturen, die vom Immunsystem erkannt werden, analysiert. Der Impfstoff für 2025 wird nach den Fakten vom Frühjahr 2024 geplant. Dann macht man sich ein Bild, wie die Viren im Sommer auf der Südhalbkugel ausschauen. Davon ausgehend kann man dann eine ungefähre Vorhersage treffen, ob der gebaute Grippeimpfstoff, aufgrund der Daten des Vorjahres, relativ gut oder schlecht funktionieren wird. Diese Prognose ist jedoch nicht immer zutreffend, weil sich das Virus auf seiner Reise in Südamerika, Neuseeland, Südafrika oder wo auch immer entsprechend verändert hat.
Gibt es Besonderheiten bei der Grippesaison 2023/24?
Die Grippesaison 2023/24 wird voraussichtlich eine starke Saison werden. Das lässt sich an den Entwicklungen in Australien ablesen, wo die Saison im Jahr 2022 die Stärkste in den letzten 15 Jahren war und im Jahr 2023 die zweitstärkste Saison war. Die Grippe trat stärker auf als in den Jahren zuvor und dauerte auch länger an. In Australien war vor allem das Virus H3N2 dominant, das oft schwere Verläufe verursacht. Deswegen muss man auch davon ausgehen, dass wir heuer eine starke Grippesaison bekommen werden. Die Grippeimpfung ist daher für Menschen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf der Grippe haben, besonders wichtig. Aber auch Menschen, die mit Risikopatient:innen in Kontakt kommen, sollten sich impfen lassen. Deswegen ist es sinnvoll, auch jetzt noch zur Grippeimpfung zu gehen.
Ist der aktuelle Impfstoff „treffsicher“?
Der Impfstoff ist aufgrund der Daten aus Australien heuer sehr treffsicher.
Vielen Dann für das Gespräch.
Expert:innen-Gespräch online
Das Expert:innen-Gespräch zur Grippeimpfung ist auch als Video auf der Website der tirol kliniken zu sehen.
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