Der psychoonkologische Konsiliar-Liaisondienst der Klinik Innsbruck besteht aus einem interprofessionellen Team von Psychologen und Psychiatern. Sie betreuen Patienten, die aufgrund einer onkologischen Erkrankung in Behandlung sind und auf Grund psychischer Probleme oder in besonders belastenden Krankheitsphasen Unterstützung brauchen. Ebenso kann es auch um den Erhalt der psychischen Gesundheit nach oder während einer onkologischen Erkrankung gehen.
Konsiliardienst – Liaisondienst
Der Konsiliardienst wird gerufen, wenn ein akuter Bedarf nach psychologischer Unterstützung anzunehmen ist – zum Beispiel bei einer schwerwiegenden Diagnosemitteilung. Der Liaisondienst versorgt seine Patienten bedarfsorientiert, d.h. bietet einzelne Beratungsgespräche oder begleitet über einen längeren Zeitraum. Es gibt fixe Zeiten und verbindliche Vereinbarungen. Das kann sowohl im stationären Bereich sein als auch im ambulanten. Nicht nur die Patienten selbst können den CL-Dienst in Anspruch nehmen. Auch An- und Zugehörige werden betreut.
Der CL-Dienst arbeitet vor allem mit psychologischen/psychotherapeutischen Gesprächen und wissenschaftlich fundierten Methoden zur Unterstützung der Symptombehandlung (z. B. Entspannungsmethoden). Aber auch Zuhören, Anwesend-Sein und das gemeinsame Aushalten von schwierigen Situationen können eine große Stütze sein. Manchmal ist diese menschliche Zuwendung begleitet von einer kurzen Berührung. Oft ist es wichtig zu signalisieren, dass man sich so viel Zeit wie nötig nehmen kann. Genau diese Gesten waren in den Monaten der Covid-19-Pandemie jedoch untersagt. Vier Vertreterinnen (Priv.-Doz. Mag. Dr. Eva Gamper, Dr. Renate Groß, Dr. Gabriele Schauer-Maurer, Mag. Monika Sztankay) des CL-Teams an der Univ.-Klinik für Psychiatrie II und der Psychoonkologischen Ambulanz der Univ.-Klinik Innsbruck erzählen, wie sich ihre Arbeit in dieser Zeit verändert, aber dennoch funktioniert hat.
Erfahrungsbericht
„Nach der Diagnosestellung einer onkologischen Erkrankung bittet ein Patient um psychoonkologische Begleitung.
Der stationäre Aufenthalt verlängert sich aufgrund von Komplikationen und Schmerzen immer wieder um einige Tage. In dieser Zeit von mehreren Wochen treffen wir uns zwei- bis dreimal pro Woche – immer mit Mund-Nasen-Schutz. Bei unserem letzten Gespräch vor der Entlassung nach Hause bittet mich der Patient, ob er nur einmal kurz mein Gesicht ohne Maske sehen dürfe, damit er wisse, mit wem er gesprochen hat.“
„Ich werde vom behandelnden Onkologen zu einer Befundbesprechung gebeten – ein junger Patient mit einem metastasierenden Tumor. Alle Organe sind befallen. Ich bleibe nach dem Arztgespräch unterstützend und beratend noch länger beim Patienten, aber eigentlich bräuchte er jetzt am Dringendsten seine Frau für die aber erst eine Sonderbesuchsgenehmigung organisiert werden muss.“
Was hat sich für Sie verändert?
Mit Beginn der veränderten Arbeitsbedingung am 16. März mussten auch wir uns neu strukturieren. Bald stellte sich für den CL-Dienst heraus, dass wir kreative Lösungen in dieser beschränkten Situation finden mussten. Die CL-Arbeit war geprägt durch den notwendigen Verzicht der Mimik als zentrales Mittel der Kommunikation und den Bemühungen, eine möglichst „normale“ Versorgung zu gewährleisten. In Krisen rückt man eigentlich auch körperlich näher, aber diesmal mussten wir auf Distanz gehen. Viele zwischenmenschlichen, üblichen Reaktionen waren in dieser Form nicht mehr möglich: Jemandem die Hand zu geben beim Kennenlernen, Grüßen und Verabschieden. Jemanden mitfühlend zumindest kurz zu berühren. Die Mimik war auf die Augenpartie reduziert. Das Sprechen unter der Maske ist undeutlicher, schwerer verständlich, wenn das Gegenüber zudem noch ein vermindertes Hörvermögen zeigt oder gar schwerhörig ist.
Welche zusätzlichen Belastungen konnten Sie bei den Patientinnen und Patienten wahrnehmen?
Patientinnen und Patienten konnten in Zeiten, in denen Besuche nicht gestattet waren, keine oder nur begrenzte Unterstützung der Familie direkt im Krankenhaus erhalten. Selbst mobile Personen durften anfangs die Station nicht verlassen, beziehungsweise durften sie nur kurz vor das Gebäude gehen. Die Atmosphäre in der Klinik war eigentümlich verlassen.
Besuchsverbote und Social distancing erhöhen das Gefühl von Sicherheit vor einer Infektion, aber auch das Gefühl von Einsamkeit und Isoliertheit, das häufig mit der Diagnose einer schweren Erkrankung einhergeht. Diagnose- oder Befundmitteilungen ohne Angehörige sind alleine schwer verkraftbar – insbesondere, wenn wichtige Entscheidungen zur Therapie anstehen.
Für ambulante Patientinnen und Patienten, die alleine leben und die z. B. zur Chemotherapie an die Klinik kommen mussten, war der CL-Dienst einer der wenigen Kontakte, mit dem man ein längeres Gespräch führen konnte. Dazu kam das Bewusstsein nun einer speziellen Risikogruppe anzugehören: Ich muss zur Therapie an die Klinik, aber die Klinik ist auch ein „Risiko-Gebiet” für mich. Palliative Patientinnen und Patienten konnten teilweise nur einen Besuch pro Tag erhalten.
Wie wirkten sich die Beschränkungen auf die Angehörigen aus?
An- und Zugehörige fühlten einerseits das Bedürfnis, den Verwandten nahestehen zu wollen. Auf der anderen Seite hatten sie Angst, dass sie schaden könnten. Die Angehörigen benötigten den CL-Dienst teilweise mehr als sonst, zum Beispiel bei schwierigen Übermittlungen der Informationen aus der Klinik.
Wie sah die interdisziplinäre Zusammenarbeit aus?
Die Interdisziplinarität war in gewohnter Weise nur sehr schwierig aufrechtzuerhalten. Immer öfter mussten wir Besprechungen telefonisch abhalten. Obwohl bei Besprechungen dieser Art der persönliche Kontakt sehr wichtig wäre.
Welche Schlüsse zieht ihr aus dieser extrem herausfordernden Phase?
Psychologische Unterstützung ist – gerade in Krisenzeiten – keinesfalls ein Luxus. Es war jedoch trotz der Gegebenheiten mehr möglich als man glauben möchte. Die Arbeit hat dieselben Schwerpunkte mit anderen Vorzeichen. Allerdings ist der direkte Kontakt eine wesentliche Essenz unserer Arbeit. Präsent und greifbar zu sein ist für CL-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie auch für die Patientinnen und Patienten wichtig: „Ich bin so froh, dass Sie mir gegenübersitzen!“
Vielen Dank für das Gespräch!
Fotonachweis: tirol kliniken/G. Berger (Titelbild), tirol kliniken/C. Seiwald (Gruppenfoto), tirol kliniken/C. Kohl (Frau mit Maske)