Durch eine Organspende kann nicht nur das Leben schwerkranker Menschen gerettet werden. Eine Transplantation stellt die Leistungsfähigkeit wieder her und verbessert die Lebensqualität erheblich.
An der Innsbrucker Univ.-Klinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie befindet sich eines der größten Transplantationszentren Österreichs. Seit Beginn des Transplantationsprogrammes im Jahr 1974 wurden dort bis heute über 6.600 Organe verpflanzt. Unser Gesprächspartner, Priv.-Doz. Dr. Stephan Eschertzhuber, ist leitender Oberarzt an der Innsbrucker Univ.-Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin und Transplantreferent für Westösterreich und Südtirol.
Was ist eine Transplantation und welche Organe können transplantiert werden?
Eine Transplantation ist eine Operation, bei der Organe und Gewebe von Spendern entnommen und in die Körper der Empfänger übertragen werden. Bei den Organen handelt es sich um Nieren, Leber, Herz, Bauchspeicheldrüse, Darm und Lungen. Auch Gewebe kann transplantiert werden, wie z. B. Herzklappen, die Hornhaut der Augen, aber auch Teile der Haut, der Blutgefäße oder des Knochengewebes. An unserem Zentrum wurden auch schon neun Hände transplantiert.
Welche Organe können von lebenden Menschen gespendet werden? Was sind die Vorteile?
Gesunde Patienten können Organe wie die Niere oder einen Teil der Leber weitergeben. In seltenen Fällen ist es auch möglich, einen Lungenlappen zu spenden. Gerade bei einer Nierentransplantation sind leider sehr wenige Organe vorhanden und Spender müssen oft lange warten. Diese Wartezeit kann durch eine Lebendspende verkürzt werden. So ein Eingriff lässt sich auch viel besser planen. Doch der Anteil der Nieren-Lebendspende ist in Österreich, verglichen mit anderen Ländern, nach wie vor sehr gering. Die Gründe dafür sind uns leider nicht bekannt. Hier gäbe es durchaus Spielraum nach oben.
Die Leber-Lebendspende wird nur im Setting angeboten, dass Erwachsene einen Teil ihres Organs an Kinder spenden. Diese Transplantation wird in Österreich derzeit ausschließlich an unserer Klinik in Innsbruck durchgeführt und ist ein besonders wertvolles, lebensrettendes Verfahren. Denn gerade für Kinder stehen sehr wenig geeignete Organe zur Verfügung.
Kann ich mich freiwillig für eine Lebendspende bereit erklären?
Ja. Als gesunder Erwachsener kann man eine sogenannte altruistische Organspende durchführen. Man spendet eine Niere, ohne den Empfänger zu kennen. Das ist eine der höchsten Formen der Nächstenliebe. Um jedoch selbst keinen gesundheitlichen Schaden zu nehmen, muss man vorab – im wahrsten Sinne des Wortes – auf Herz und Nieren untersucht werden.
Gehe ich ein großes Risiko ein, wenn ich eine Niere spende?
Natürlich ist damit ein Risiko verbunden. Denn sollte die verbleibende Niere erkranken, wird man selbst dialysepflichtig oder könnte eine Transplantation brauchen. Es ist aber so, dass wir hier ein sehr gutes Vor- und Nachsorgeprogramm haben. Z. B. wird der Blutdruck besser eingestellt und es werden häufiger Untersuchungen durchgeführt, um die Lebensqualität und Gesundheit der Spender zu erhalten. Die Chancen an einer Niereninsuffizienz zu erkranken, ist somit gleich hoch wie bei der normalen Bevölkerung.
Ist in Österreich wirklich jeder Mensch automatisch Organspender?
Grundsätzlich ja. Es gibt dazu eine gesetzliche Regelung – das österreichische Transplantationsgesetz. Und darin ist die Widerspruchlösung gegen die Organspende festgelegt. Das bedeutet: Jeder Verstorbene ist potenzieller Organspender, außer er hat zu Lebzeiten eine Entnahme ausdrücklich abgelehnt. Durch diese Widerspruchslösung müssten wir theoretisch mehr Organspender haben. Bei uns ist es jedoch Standard, dass wir die Angehörigen nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen fragen. Und dabei lehnen viele eine Organspende ab, ohne zu wissen, was der Verstorbene eigentlich gewollt hätte. Wir akzeptieren somit einen Widerspruch, obwohl wir gesetzlich nicht dazu verpflichtet sind. Natürlich verstehen wir die Beweggründe der Angehörigen. Man muss sich aber vor Augen führen, dass jede nicht durchgeführte Organspende den Tod eines Menschen auf der Warteliste bedeutet.
Ist die Organspende bei uns in Österreich anonym?
Ja, in Österreich versuchen wir, den Kontakt zwischen Spender- und Empfängerfamilie streng zu vermeiden. Denn es könnten Forderungen gestellt werden oder emotionale Dinge geschehen, die nicht gewünscht sind. Wir bieten über unsere Transplantkoordination jedoch an, Gedanken oder Informationen in anonymisierter Form auszutauschen. Gerade bei Kindern ist es vielen Empfängerfamilien ein großes Anliegen, sich zu bedanken. Und dieser Dank ist für Spenderfamilien oft sehr wertvoll, denn sie konnten, trotz eigenem Verlust, einem anderen Menschen das Leben retten. Wir fungieren als Bindeglied: Jeder Brief wird vorab von unser Koordinationsstelle geprüft. Nur so können wir sicher sein, dass keine unerlaubte Information geteilt oder ein direkter Kontakt hergestellt wird.
Wie lange warten Betroffene auf ein Organ?
Im internationalen Vergleich sind die Wartezeiten in Österreich geringer als in unseren Nachbarländern. Nichtsdestotrotz ist es so, dass wir nicht alle Patienten rechtzeitig transplantieren können und sie auf der Warteliste versterben. Die Wartezeit bei einer Niere liegt in Österreich bei ca. dreieinhalb Jahren. Hier gibt es aber ein gut etabliertes Überbrückungsprogramm mittels Dialyse. Bei anderen Organen sind die Wartezeiten wesentlich kürzer – z. B. dreieinhalb Monate bei einer Leber. Das liegt aber auch daran, dass diesen Patienten die Zeit fehlt, um so lange zu überleben. Denn die durchschnittliche Überlebensdauer liegt hier bei zweieinhalb Monaten.
Wie viele Transplantationen werden in Innsbruck durchgeführt?
Seit 1974 wurden an unserem Zentrum rund 4.100 Nieren, über 1.500 Lebern, knapp 600 Bauchspeicheldrüsen sowie mehr als 440 Herzen, rund 250 Lungen und 30 Därme transplantiert. Das sind bis heute mehr als 6.600 verpflanzte Organe, davon 242 im letzten Jahr.
Euregio-Tour – Radeln für den guten Zweck
Bei der Euregio-Transplant-Radtour treten über 100 Teilnehmer vom 14. bis 16. Juli 2017 für einen guten Zweck in die Pedale. Dieses Sportevent führt von Innsbruck zum Gardasee und soll mehr Bewusstsein für Organspende und Transplantation schaffen. In drei Tagen bewältigen die Athleten aus 9 Nationen 390 km und rund 4.000 Höhenmeter. Das Teilnehmerfeld setzt sich nicht nur aus ärztlichem und pflegerischem Personal, sondern vor allem aus ehemaligen Patienten zusammen. Sie können nach ihrer Organtransplantation wieder ein normales Leben führen – und diese Veranstaltung ist der Beweis dafür.