Wer von Parkinson spricht, meint damit in der Regel Morbus Parkinson. Es ist das häufigste von verschiedenen Parkinson-Syndromen. Bis in das frühe 19. Jahrhundert blieb Parkinson, damals auch als „Schüttel-Lähmung“ bezeichnet, unerkannt. Die Symptome sind allerdings schon seit der Antike bekannt. Nach seiner Erstbeschreibung an sechs Parkinson-Erkrankten durch den englischen Arzt James Parkinson, holte die Forschung auf diesem Gebiet immer mehr auf und entdeckte Ursachen, Auswirkungen und in der Folge auch Behandlungsmöglichkeiten. Je früher die Krankheit erkannt wird, desto eher kann mit Medikamenten eingegriffen und Lebensqualität erhalten werden. Doch wie erkennt man die Krankheit? Wann sollte man aufmerksam werden? Wie sieht die Zukunft aus?
Univ.-Prof. Dr. Klaus Seppi (Stellvertretender Direktor an der Univ.-Klinik für Neurologie in Innsbruck und Leiter der Parkinsonambulanz) gibt in einem Interview Einblick in eine Krankheit, die ungefähr 2.000 Patienten der Tiroler Bevölkerung betrifft … Tendenz steigend.
Welche Früherkennungsmerkmale neben dem typischen Händezittern gibt es?
Das Ruhezittern gilt als parkinsontypisch, tritt jedoch gar nicht bei jedem Parkinson-Patienten auf. Übrigens sollte der historische Begriff „Schüttel-Lähmung“ heute nicht mehr verwendet werden, weil er inhaltlich nicht richtig ist, da es bei Parkinson zu keinerlei Lähmungserscheinungen kommt. Im Vordergrund der Symptome stehen neben der Bewegungsverlangsamung, die zu mühevollen Bewegungsabläufen führt, eine Zunahme des Muskeltonus, der manchmal zu Schulterschmerzen führen kann, sowie das typische Ruhezittern. Die Diagnose „Parkinson“ lässt sich einfach stellen, wenn alle beschriebenen motorischen Symptome der Bewegungsstörung gleichzeitig vorhanden sind. Allerdings entwickeln sich die Krankheitssymptome schleichend, weshalb manche Patientinnen und Patienten erst nach Jahren die richtige Diagnose erhalten. Hier kann eine SPECT-Untersuchung hilfreich sein, welche den Dopamin-Haushalt im Gehirn bestimmt. Ein Mangel des Botenstoff Dopamin als “Schmieröl” der menschlichen Beweglichkeit führt nämlich zu den parkinsontypischen motorischen Bewegungsstörungen.
Außerdem gibt es neben diesen motorischen Störungen noch eine Menge nicht-motorischer Frühsymptome, welche teilweise Monate bis Jahrzehnte vor dem Auftreten der ersten motorischen Symptome bemerkbar werden können. Unerklärliche Beeinträchtigung des Geruchssinns, Störungen des Traumschlafs (die so genannte REM-Schlafverhaltensstörung), Verstopfung oder Stimmungsstörungen können in diesem Stadium als „Vorboten“ auftreten.
Gibt es „Risikopatienten“?
Genetische Disposition spielt eine wichtige Rolle. Nicht selten findet man eine familiäre Häufung bei Parkinson. Man kennt heute mehrere Veränderungen des Erbgutes, die mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten dieser Krankheit verbunden sind. Familiärer Parkinson macht aber in unseren Breiten nur ca. 1-3 % aus, während in einigen jüdischen und arabischen Populationen ein Drittel und mehr der Patienten eine genetische Parkinsonform haben. Daneben haben Personen mit einer REM-Schlafverhaltensstörung ein hohes Risiko innerhalb von 20 Jahren Parkinson zu entwickeln. Es gibt zudem noch Risikofaktoren. Zum einen ist da das Alter: Je älter die Person, desto häufiger wird Parkinson diagnostiziert. Männer haben ein geringfügig höheres Risiko an Parkinson zu erkranken. Umwelteinflüsse spielen eine Rolle, ebenso wie wiederholte Gehirnerschütterungen oder regelmäßiges Ausgesetztsein gegenüber chemischen Substanzen werden diskutiert. Hingegen diagnostiziert man bei „Rauchern“ und „Kaffeetrinkern“ seltener diese Krankheit. Interessant ist außerdem, dass tägliche körperliche Aktivität das Risiko für Parkinson reduzieren kann. Sechs Stunden Bewegung pro Woche soll das Risiko zu erkranken um über 40 Prozent vermindern! Je mehr Risikofaktoren und der vorhin genannten „Vorboten“ bei einer Person vorkommen, desto höher ist das Risiko an Parkinson zu erkranken.
Gibt es Gebiete, Länder, Zonen, in den Parkinson vermehrt auftritt?
Es gibt geografische Unterschiede. In Europa, Nordamerika oder Australien findet man Parkinson häufiger als in den meisten Regionen Afrikas, Asiens oder Lateinamerikas. Vor allem in Afrika ist Parkinson bei weitem nicht so stark verbreitet wie in den Industriestaaten. Das hängt hauptsächlich mit der unterschiedlichen Altersstruktur zusammen. Der Anteil älterer Menschen ist in Europa, Nordamerika und Australien um ein Vielfaches höher. Daneben wird Lebensstil und genetische Veranlagung diskutiert.
Gibt es diese Krankheit auch bei Kindern?
Bei ca. 10 % der Patientinnen und Patienten treten die ersten Parkinsonsymptome schon vor dem 40. Lebensjahr auf. Sehr selten kann ein Parkinson bei Jugendlichen oder gar Kindern diagnostiziert werden. Der klassische Parkinson kommt in dieser Altersstufe nicht vor. Meist handelt es sich dann um einen genetisch bedingten (erblichen) Parkinson oder um einen sekundären Parkinson, sprich Erkrankungen, die Parkinsonsymptome aufweisen können, wie z. B. Stoffwechselerkrankungen oder andere genetische Erkrankungen wie Huntington, Vergiftungen, Gehirnentzündungen, Hirntumore.
Paradoxerweise haben Raucher ein vermindertest Risiko, an Parkinson zu erkranken. Warum?
Das stimmt. Allerdings würde man niemandem zum Rauchen raten, vor allem wegen der vielen negativen Effekte von Rauchen. Tatsächlich scheint Nikotin vor Parkinson zu schützen. Das bezieht sich nicht nur auf das Rauchen selbst, sondern auch auf das Passivrauchen oder das Tabakkauen. Interessanterweise, findet sich Nikotin in geringen Konzentrationen auch in Nachtschattengewächsen wie Kartoffeln, Tomaten oder Pfeffer. Die Wirkung von Nikotin auf das Parkinsonrisiko ist allerdings weitgehend unklar.
Wie wird Parkinson behandelt?
Die Ursache für Parkinson können wir bis heute nicht behandeln. Allerdings können wir die Symptome der Krankheit gut therapieren. Etwa medikamentös durch Zufuhr von Dopamin-Ersatzstoffen zur Erhöhung des Dopamin-Angebots im Gehirn oder durch Physio-, Ergo- und Logotherapie. Im späteren Erkrankungsstadium können auch neurochirurgische Eingriffe helfen.
Wenn man gut mit Medikamenten eingestellt ist, wie verhält es sich mit der Lebensqualität und der Lebenserwartung?
Insgesamt lässt sich die Erkrankung viele Jahre gut kontrollieren – bei jüngeren Patienten länger. Der individuelle Verlauf kann nicht sicher vorhergesagt werden. Allerdings schreiten die Parkinsonsymptome bei vielen Betroffenen bei optimaler Behandlung nur langsam voran, so dass eine gute Lebensqualität bei vielen Patientinnen und Patienten für Jahre erreichbar ist. Die Lebenserwartung der an Parkinson-Erkrankten ist allenfalls nur geringfügig vermindert. Man kann sagen, sie ist in etwa gleich hoch wie bei gesunden Menschen. Wichtig: Jeder Patient kann selber in der Behandlung zu seiner Lebensqualität beitragen. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass durch regelmäßige Bewegung der Verlauf der Parkinson-Erkrankung positiv beeinflusst werden kann. Bewegungsübungen helfen dem Gehirn, die krankheitsbedingten Defizite zu kompensieren.
Parkinson ist eine Krankheit, die schon lange im Körper des Betroffenen schlummert, bevor sie erkennbar wird. Gibt es hier Auslöser für das Sichtbarwerden der Krankheit? Stress? Alter?
Wie vorher bereits erwähnt, gibt es zahlreiche Risikofaktoren für Parkinson. Irgendwann treten die motorischen Parkinsonsymptome auf, welche von Angehörigen wahrgenommen werden oder mit der Zeit störend für die Patientin oder den Patienten werden. Meist wird erst dann ein Arzt aufgesucht. Manchmal können Medikamente, welche Dopamin im Gehirn blockieren, dazu führen, dass Parkinson demaskiert wird. Zu solchen Medikamenten zählen einige, die bei Stimmungsproblemen, Übelkeit oder chronischem Schwindel eingesetzt werden. Auch Stress kann eine Rolle spielen. Alter ist per se ein wichtiger Risikofaktor für Parkinson.
Wo steht die Wissenschaft heute? Gibt es Hoffnungen auf Heilungsansätze in naher Zukunft?
Obwohl Parkinson viele Jahre gut kontrollierbar ist, schreitet die Krankheit selbst unaufhaltsam fort, so dass es im Verlauf nach Jahren häufig zu Behinderungen kommen kann. Das Fortschreiten der Krankheit liegt daran, dass verklumpte Eiweißstoffe sich im Gehirn von Nervenzelle zu Nervenzelle ausbreiten. An den Vorgängen, wie es zum Nervenzellenuntergang bei Parkinson kommt, wird stark geforscht. Ein besseres Verständnis dieser Prozesse würde Wege zu neuen Therapieansätzen eröffnen. Das Ziel ist, so rasch wie möglich Therapieansätze zu finden, welche den Krankheitsverlauf womöglich bremsen, den Krankheitsausbruch hinauszögern oder im idealsten Fall sogar verhindern können. Dazu laufen im Moment einige Studien, die auch an der Universitätsklinik Innsbruck angeboten werden.
Dazu muss man Parkinson allerdings früher erkennen. Bei der Forschung hat die Phase, in der Symptome bereits wahrnehmbar, aber noch nicht zuordenbar sind, besondere Relevanz. Dabei kann es sich um einen Zeitraum von Monaten bis Jahrzehnten handeln. Auch an anderen Markern (Hinweisen) zur genauen Diagnose von Parkinson wird gearbeitet. Beispiele wären hierfür Bildgebungsverfahren, Hautbiopsien oder Speichelproben. An der Universitätsklinik Innsbruck wird intensiv an derartigen Markern geforscht.
Vielen Dank für das Interview!
Fotos: adobestock (Titelbild), MUI/Vandory (Portrait), pixabay (Läufer), Foto von Dopamin zur Verfügung gestellt von Prof. Ch. Scherfler