Am 11. April ist Welt-Parkinson-Tag. Doch was bedeutet diese Erkrankung für Betroffene und Angehörige? Wie äußert sich Parkinson und was kann man im Krankheitsfall tun? Klaus Seppi, Stellvertretender Klinikdirektor und Leitender Oberarzt klärt im Expertengespräch über Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten bei Parkinson auf.
Was ist Parkinson und wie entsteht diese Erkrankung?
Wenn wir umgangssprachlich von Parkinson sprechen, meinen wir die Parkinson-Erkrankung, den Morbus Parkinson, die Parkinson’sche Krankheit. Es gibt aber viele Gründe, warum jemand ein Parkinson-Syndrom haben kann. Parkinson-Krankheit und Parkinson Syndrom sind nicht dasselbe.
Die Parkinson-Krankheit ist das häufigste dieser Parkinson-Syndrome. Es handelt sich dabei um eine degenerative Erkrankung der Nervenzellen. Das bedeutet, dass es im Gehirn, in speziellen Bereichen, zu einem Nervenzellen-Untergang kommt. Und der Nervenzellen-Untergang führt dann dazu, dass neurologische Symptome auftreten können. Bei der Parkinson-Krankheit ist hauptsächlich ein Bereich im Mittelhirn betroffen, wo Dopamin produziert wird. Die sogenannte „schwarze Substanz“. Wenn sehr viele Nervenzellen untergegangen sind, wird zu wenig Dopamin produziert. Und Dopamin brauchen wir für die Feinmotorik – quasi das Schmieröl für einen flüssigen Bewegungsablauf.
Neben dieser Parkinson-Erkrankung gibt es noch weitere Varianten von degenerativen Parkinson-Syndromen. Diese sogenannten atypischen Parkinson-Syndrome sind sehr selten. Parkinson kann außerdem durch Medikamente, oder andere Ursachen wie zB. sekundäre Parkinson-Syndrome nach einem schweren Schädelhirntrauma, einer schweren Infektionserkrankung oder einem Schlaganfall ausgelöst werden.
Welche Beschwerden sind typisch für Parkinson?
Vor über 200 Jahren hat James Parkinson anhand von 6 Personen die Parkinson-Erkrankung beschrieben. Er hat es als „Shaking Palsy“ bezeichnet – Schüttel-Lähmung. Dieser Begriff ist nicht ganz korrekt, weil Parkinson-Patienten keine Lähmung haben. Das Schütteln (der Tremor, das Zittern), das James Parkinson als Lähmung verstanden hat, ist eine Bewegungsverlangsamung, die durch den Dopamin-Mangel entsteht. Dieser Bewegungsmangel führt dazu, dass Patienten zu Beginn der Erkrankung Probleme wahrnehmen wie Probleme beim Anziehen und Zubinden, das Schriftbild wird kleiner und unleserlicher, die Stimme kann sich verändern. Muskelsteifigkeit ist ein anderes Symptom, das zu Schulterschmerzen, oder Beckenschmerzen führen kann. Knapp die Hälfte der Patienten bemerken das Ruhezittern. Dann gibt es noch viele unspezifische Symptome, die auch schon vor der Krankheit auftreten können: Stimmungsschwankungen, Geruchsverlust, Verstopfung, Schlafstörungen.
Wie hoch ist das Risiko, an Parkinson zu erkranken?
Parkinson ist in der Gesamtbevölkerung mit 0,2-0,3% vertreten. Es ist eine altersabhängige Krankheit – in der zweiten Lebenshälfte tritt sie häufiger auf. Je älter man wird, desto eher bekommt man Parkinson. Die über 60-Jährigen haben 1-3% Wahrscheinlichkeit, bei den über 80-Jährigen sind es 3-5%. In Tirol rechnet man im Jahr mit ungefähr 200 Menschen, die an Parkinson erkranken. Bereits betroffen sind mindestens 2.000 Menschen, auf die EU bezogen ist eine Million der Menschen erkrankt. Nachdem die Bevölkerungs-Pyramide nach rechts wandert und wir älter werden, ist davon auszugehen, dass sich in den nächsten 10 Jahren die Häufigkeit verdoppelt, wenn nicht gar verdreifacht. Auch das Geschlecht spielt eine Rolle: Männer haben ein leicht erhöhtes Risiko, an Parkinson zu erkranken.
Gibt es Risikopatient:innen?
Es gibt Risikofaktoren für die Parkinson-Erkrankung, aber nicht jeder bekommt Parkinson. Warum manche Parkinson bekommen und andere nicht, ist unklar. Neben dem Alterungsprozess vermutet man Umweltfaktoren und genetische Faktoren.
Manchmal findet man Ähnlichkeiten in der Familie – also wenn eine Person Parkinson hat, kann es sein, dass auch eine andere erkrankt ist. In Mitteleuropa haben 1-3 Prozent der Menschen eine genetische Veränderung, die Parkinson auslöst. Umwelteinflüsse, die eine Rolle spielen können sind zB Erschütterungen vom Kopf, Gehirnerschütterungen, Exposition mit gewissen giftigen Substanzen wie Lösungsmitteln oder Pestiziden. Auch frühe Virusinfekte scheinen laut aktuellen Studien eine Rolle zu spielen. Schützend hingegen kann mediterrane Kost sein, ein aktives Leben mit sportlicher Aktivität von 4-6 Stunden pro Woche kann das Risiko um bis zu 40% verringern. Auch scheint, dass Kaffeetrinker seltener Parkinson bekommen.
Wie wird Parkinson diagnostiziert?
Die Parkinson-Diagnose ist eine klinische Diagnose. Wenn jemand in‘s Krankenhaus kommt und über Langsamkeit, Ruhezittern oder ziehende Schmerzen klagt, untersucht man den Patienten und erkennt die Bewegungsverlangsamung und andere Zusatzsymptome. Ist man sich nicht ganz sicher, kann man mit nuklearmedizinischen Methoden den Dopamin-Mangel im Gehirn nachweisen.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Die Behandlungsmöglichkeiten stehen auf 3 Säulen: Medikamente, aktivierende Therapie und chirurgische Verfahren. Die Medikamente beruhen alle darauf, dass sie den Dopamin-Mangel kompensieren – man gibt Dopamin-haltige Medikamente. Der Abbau der Nervenzellen schreitet unaufhaltsam fort, weshalb man die Medikamente immer wieder anpassen muss und viele Medikamente dazu kommen. Die nächste Stufe ist, dass Patienten von Anfang an aktivierende Behandlungen im Bereich der Physiotherapie, Logotherapie und Ergotherapie erhalten. Wir bieten in unserer Sprechstunde Boxtraining an, Thai-Chi ist gut, auch Tanzen hilft – ein aktives Leben. Steigt die Anzahl der zu nehmenden Medikamente stark an, gibt es neben der Gabe von Medikamenten über Pumpen auch die Möglichkeit einer Parkinson-Operation. Das ist ein Schrittmacher, der gewisse Bereiche im Gehirn stimuliert und dadurch die Parkinson-Symptome lindern kann.
Wie kann das Umfeld Betroffene unterstützen?
Ein wichtiger Punkt! Meistens ist die Diagnose zu Beginn ein Schock für Betroffene und Angehörige. Es ist eine Erkrankung der zweiten Lebenshälfte, aber häufig bekommt man die Diagnose zwischen dem 50. Und 60. Lebensjahr – da ist man noch im Berufsleben. Meiner Meinung nach ist es besonders wichtig, sich mit anderen auszutauschen. Oft hilft es auch, die nächsten Angehörigen und Freunde im Umfeld zu informieren, denn es ist schwierig, diese Last alleine zu tragen.
Als Angehöriger ist es ganz wichtig, sein eigenes Leben zu leben. Im Verlauf der Erkrankung wird alles langsamer, man muss die Geduld aufbringen, bis sich ein Betroffener zum Beispiel angezogen hat, die Morgentoilette erledigt hat – man sollte genug Spielraum geben. Aber es ist auch wichtig, aktiv am Leben und am sozialen Umfeld teilzunehmen, Hobbies weiter auszuüben, gemeinsame Aktivitäten auszuüben, auf Reisen zu gehen. Das alles sollte durchgeführt werden, aber man sollte immer vor Augen haben: es ist alles langsamer, man braucht mehr Pausen. Als Angehöriger muss man Betroffene nicht bevormunden. Sie sollten so gut wie möglich alles selbst erledigen. Betroffene melden sich, wenn sie tatsächlich Hilfe benötigen.
Ist Parkinson vererbbar?
Viele Faktoren spiele eine Rolle – auch genetische. Wenn man jetzt tatsächlich eine sogenannte monogenetische Parkinson-Erkrankung hat und es in der Familie eine genetische Veränderung gibt, die zu Parkinson führen kann, muss man festhalten, dass es auch hier keine 100%ige Penetranz gibt. Das bedeutet, dass die Erkrankung nicht zu 100% auftreten muss. Altersabhängig hat man aber ein erhöhtes Risiko. Diese monogenetische Erkrankung ist in unseren Breitengraden sehr selten.
Welche Zukunftsaussichten haben Betroffene?
Der Blick in die Zukunft lautet: man arbeitet seit man Parkinson kennt daran, die Krankheit zu bremsen. Man kann die Symptome lange Jahre sehr gut behandeln. Ein normales Leben, mit gewissen Einschränkungen, dass alles langsamer wird, ist sehr lange möglich. Doch irgendwann können im Verlauf der Erkrankung ungute Symptome auftreten, die auch schwer behandelbar sind und zu einer Pflegeabhängigkeit führen können. Dazu zählen Gleichgewichtsprobleme mit Stürzen, psychische Probleme mit Halluzinationen, Gedächtnisabbau mit Demenz. Diesen Fortschritt der Erkrankung möchte man dämpfen. Dazu muss man zum einen besser verstehen, warum es zu diesem Nervenzell-Abbau kommt, um in Zukunft Medikamente zu schaffen, die eingreifen.
Das gesamte Interview mit Dr. Klaus Seppi gibt es online auch als persönliches Expertengespräch zum Ansehen – mit weiterführenden Details rund um das Thema Parkinson.
Erste Parkinson-Risiko-Studie
Anlässlich des Welt-Parkinson-Tages am 11. April startet die Innsbrucker Univ.-Klinik für Neurologie mit der ersten Parkinson-Risiko-Studie Österreichs. Finanziert wird die Studie vor allem von der Michael J. Fox-Stiftung. Ziel ist es, herauszufinden, ob es wirksame Methoden zur Früherkennung von Parkinson geben kann und ob die bisherigen Methoden zur Früherkennung treffsicher sind.
Die Studie „Gesund Altern Tirol“ besteht aus einem Online-Fragebogen, der anonym ausgefüllt wird. Man kann aber auch seine Kontaktdaten hinterlassen, wenn man Interesse an einer später im Studien-Verlauf möglichen persönlichen Untersuchung hat. Gesucht werden Menschen über 50, die NICHT an Parkinson oder demenziellen Erkrankungen leiden. Ziel der Studie ist es nicht, das individuelle Parkinson-Risiko der einzelnen Teilnehmer zu bestimmen, sondern zu erforschen, wie gut die derzeitigen Methoden zur Risiko-Vorhersage und Parkinson-Früherkennung auf Bevölkerungsebene funktionieren. Dazu werden die anonymisierten Daten zusammen mit gleichartigen Erhebungsdaten von wissenschaftlichen Partner-Institutionen in Deutschland, Luxemburg und Spanien analysiert werden.
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