Im Winter sinkt der Sonnenstand und die Anzahl der Sonnenstunden. Bis zum nächsten Frühling sind Erwachsene und Kinder in dicke Mäntel und Kappen gepackt. Wie sieht es dann aber mit der Vitamin-D-Versorgung aus? Wie wichtig ist sie und was kann man gerade im Winter gegen einen Mangel tun?

In diesem Interview erklärt Dr. David Vill, Oberarzt an der Abteilung für Innere Medizin am Landeskrankenhaus Hall, was es mit dem wichtigen „Sonnenvitamin“ auf sich hat und welche Aspekte im Winter wichtig sind.

 

Zu Beginn der Wintermonate werden in allen Apothekenschaufenstern wieder Werbungen zu Vitamin-D-Nahrungsmittelergänzungen sichtbar. Ist so eine Ergänzung wirklich notwendig in unseren Breiten?

 

Vitamin D ist ein fettlösliches Vitamin, das nur in einigen Nahrungsmitteln in nennenswerten Mengen enthalten ist, wie zum Beispiel in fettreichem Fisch wie Hering, Aal, Makrelen oder Thunfisch. Daneben gibt es sehr wenige Nahrungsmittel, die relevante Mengen an Vitamin D enthalten – zu nennen sind hier Eidotter, Steinpilze, Eierschwammerl oder auch Schmelzkäse.

Der Großteil des notwendigen Vitamin D wird daher über die Haut unter dem Einfluss von Sonnenlicht (UVB-Licht) gebildet. Die Umwandlung der Vorstufe von Vitamin D in seine aktive Form geschieht hauptsächlich in der Niere und wird stimuliert durch das Parathormon, das in der Nebenschilddrüse hergestellt wird.

Eine ausreichende Versorgung führt dazu, dass zugeführtes Calcium und Phosphat über den Darm besser bzw. in ausreichenden Mengen aufgenommen werden können. Zudem hat es direkte Einflüsse auf die Knochen auf- und abbauenden Zellen unseres Körpers.

Es ist daher leicht verständlich, dass Vitamin D bedeutsam ist für eine gesunde Knochenentwicklung und anhaltende Knochengesundheit. Auch für die Zahnbildung ist es während der körperlichen Entwicklung (gerade bei Kindern) essentiell.

 

Dr. David Vill, Oberarzt an der Abteilung für Innere Medizin am Landeskrankenhaus Hall

Kann in unseren Breiten ein Vitamin-D-Mangel vorkommen? Und wie macht er sich bemerkbar?

 

Ein echter Vitamin-D-Mangel ist in unseren Breiten sehr selten.

Bei Kindern ist das klassische Krankheitsbild die Rachitis. Sie ist bei uns aufgrund der routinemäßig vorgesehenen prophylaktischen Vitamin-D- Gabe bei Neugeborenen von der zweiten Lebenswoche bis zur Vollendung des ersten Lebensjahrs, selten geworden. Das klassische Krankheitsbild besteht aus Muskelschwäche, vermehrter Unruhe sowie einer Auftreibung der Schädelnähte und der Knorpel-Knochen-Grenzen an den Wachstumsfugen der Rippen am Brustkorb („rachitischer Rosenkranz“). Zusätzlich kommt es zu einem verzögerten Zahndurchbruch und Defekten im Zahnschmelz und weiteren Knochenverformungen.

Bei Erwachsenen nennt man das entsprechende Krankheitsbild Osteomalazie oder Knochenerweichung. Auch hier zeigen sich Muskelschwäche und ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche.

Bei gesunden Erwachsenen zwischen 18 und 70 Jahren ist nach derzeitigem Wissenstand eine routinemäßige Zufuhr von Vitamin D durch Nahrungsergänzung oder eine routinemäßige Messung des Vitamin-D-Spiegels NICHT notwendig. Bei Personen mit einem erhöhten Risiko eines Vitamin-D-Mangels sollte jedoch eine Messung des Spiegels erfolgen.

 

Dazu zählen:

  • Patienten mit Osteoporose
  • Patienten mit Verdauungsstörungen wie Zöliakie oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
  • Übergewichtige Personen
  • Dunkelhäutige Personen
  • Personen, die Medikamente einnehmen, welche die Verstoffwechselung von Vitamin D beeinflussen – in erster Linie Antiepileptika wie Phenytoin
  • Patienten, die sich über einen längeren Zeitraum in einem Pflegeheim oder sonstigen Gesundheitseinrichtung befinden

Sollte sich dort ein Mangel herausstellen, ist eine zusätzliche Supplementation mit Vitamin D3 oder Vitamin D2 sinnvoll. Diese wird regelmäßig überprüft, da ein dauerhaft erhöhter Vitamin-D-Spiegel ebenfalls negative Auswirkungen haben kann.

 

Wie vereinbar sind einerseits der Ruf nach Sonnenschutz durch Sonnencremen und andererseits der Bedarf an Sonnenlicht für die Produktion von Vitamin D? Insbesondere bei Kindern?

 

Ist die Haut mit Kleidung oder Sonnencreme bedeckt, vermindert sich ihre Fähigkeit Vitamin D herzustellen. Es reichen jedoch schon 10 bis 15 Minuten Sonnenlicht an Gesicht, Armen und Händen, um eine ausreichende Menge des Vitamins herzustellen. Vorausgesetzt die Haut ist nicht abgedeckt und frei von Sonnenschutz.

Vitamin D wird im Fettgewebe gespeichert, worauf der Körper insbesondere während der Wintermonate zurückgreift. Gerade in dieser Zeit ist daher auf eine ausreichende Zufuhr über die Nahrung zu achten.

 

Immer wieder heißt es, dass vor allem Menschen mit Schilddrüsenproblemen auf ihren Vitamin-D-Status besonders achten sollen. Was hat die Schilddrüse damit zu tun?

 

Bei jedem gesunden Menschen liegen neben der Schilddrüse insgesamt vier Nebenschilddrüsen. Dort wird das Nebenschilddrüsenhormon, das Parathormon, produziert. Unter dem Einfluss dieses Hormons wird in der Niere die Vorstufe von Vitamin D in seine aktive Form umgewandelt.

Im Zuge einer Schilddrüsen-Operation, kann es sein, dass mit der Schilddrüse auch die Nebenschilddrüsen entfernt werden. Durch den folgenden Mangel an Parathormon kann es zu einem Calcium- und Vitamin-D-Mangel kommen, weshalb aktives Vitamin D und Calcium zwangsläufig substituiert werden müssen. Diese Patienten benötigen jedoch eine andere Form von Vitamin-D-Substitution als die gängigen Nahrungsergänzungsmittel.

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Fotos: tirol kliniken/Vandory (Portrait), pixabay (Titelbild)